Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)
jetzt bitte der Gruppe erzählen, wie viel Sie tatsächlich trinken?«
»Aber ich habe ...«
»Keineswegs.« Josephine lächelte. »Sie haben uns von dem Konsum erzählt, von dem Emer wusste. Was ist mit den Flaschen, die Sie im Auto haben, denen im Büro?«
Neil starrte sie an, als wollte er sagen: Was wollen Sie denn noch? Blut?
Seine Augen waren glanzlos, er wirkte erschöpft.
»Ihr Geschäftspartner kommt am Freitag zu uns, und er wird uns darüber berichten«, sagte sie freundlich. »Und Ihre Freundin kommt heute in einer Woche.«
Kurz darauf war die Gruppensitzung beendet. Josephine sagte zu Neil: »Bleiben Sie an dem Gefühl dran«, was immer das heißen mochte. Dann begleiteten sie und die Schwestern Emer hinaus. Die anderen und ich blieben in der Abtklause sitzen und sahen uns unbehaglich an. Chaquie und Clarence verschwanden und murmelten etwas vom Tischdecken.
Neil hatte den Kopf auf die Armlehne gelegt. Dann sah er auf und richtete einen flehenden Blick auf mich. Ich warf ihm einen verächtlichen zu und wandte mich ab.
»Wie geht es dir, Neil?«, hörte ich zu meiner Überraschung Vincents Stimme.
Das Arschloch Neil, dachte ich wutschäumend. Das Arschloch Neil, der Säufer. Der Frauenmisshandler und Lügner. Ich dachte daran, wie er versucht hatte, mir weiszumachen, dass seine Frau verrückt war, Josephine mit uns Gehirnwäsche veranstaltete und er ein so netter Kerl war.
AufVincents Frage hin hatte Neil einen Anfall. Er schlug mit der Faust auf die Armlehne und fing gleichzeitig an zu brüllen und zu weinen. Aber aus Zorn, nicht aus Scham. »Ich kann es nicht fassen, was meine Frau, die alte Ziege, da erzählt hat! Ich kann es einfach nicht fassen!«, schrie er, und Tränen strömten über sein verzerrtes Gesicht. »Warum musste sie das alles sagen? Warum? Himmelhergott noch mal, WARUM?«
»Komm, wir gehen einen Tee trinken«, schlug Mike sanft vor.
»Sie hat sich das alles zusammengelogen, die alte Hexe«, beharrte Neil. »Und sie da sitzen zu sehen«, sagte er und zeigte mit fuchtelnden Armen auf den Stuhl, auf dem Emer bis vor kurzem gesessen hatte, »mit einem Blick, als ob sie kein Wässerchen trüben könnte; aber ich sage euch, diese Frau hat mir in den letzten vierzehn Jahren das Leben zur Hölle gemacht. Aber immer bin ich es: Neil hat dies getan, Neil hat das getan ...«
Er redete immer unzusammenhängender. Ich verdrehte meine Augen, während Mike,Vincent und sogar Misty, ich staunte nicht schlecht, beschwichtigend auf ihn einredeten. Selbst John Joe blieb dabei und sah aus, als wollte er etwas Nettes sagen, wenn ihm nur die Worte eingefallen wären.
»Was ist mit meinem Leben nur passiert?«, fragte Neil. »Warum ist alles so schiefgegangen? Und woher wusste sie von Mandy? Kann man sich vorstellen, dass sie sich mit ihr getroffen hat? Ich wette, sie haben über mich gesprochen, diese Drecksweiber.«
»Komm, wir gehen in den Speiseraum«, drängte Mike wieder. Ich wusste nicht, warum sie alle so nett zu Neil waren.
»Das kann ich nicht«, murmelte Neil. »Ich mag jetzt keinen sehen.«
»Doch, das kannst du«, drängte Mike sanft. »Du bist doch unter Freunden.«
»Uns ist es auch so gegangen«, sagte Vincent ohne die Spur von Aggressivität. »Und es hat uns auch nicht gefallen.«
»Genau.« Misty kicherte freundlich. »Das ist einfach ein Hindernis auf der Strecke zum Ziel.«
Nicht meine Strecke, darauf kannst du Gift nehmen, dachte ich finster.
»Uns hat es sogar gutgetan, es hat funktioniert. Guck doch, wie normal wir jetzt sind.« Misty zeigte auf sich,Vincent und Mike. (Fast hätte sie John Joe in die Geste mit einbezogen, aber sie ließ den Arm vorher sinken.) Darauf mussten alle lachen, sogar Neil, zwischen seinen Schniefern.
Ich war verdutzt.
»Ernsthaft«, sagte Mike, »eines Tages wirst du auf diesen Morgen zurückblicken und froh sein. Das hat man mir auch gesagt, damals, als meine Frau herkam und aus mir ein Häufchen Scheiße gemacht hat. Mit der Wahrheit konfrontiert zu werden ist der Anfang der Heilung.«
»Aber es ist ja nicht die Wahrheit«, sagte Neil. »Sie lügt wie gedruckt.«
Ich wollte ihm mit der Faust ins Gesicht schlagen. Aber von den anderen wies ihn keiner auch nur zurecht.
Mike, Vincent, Misty und John Joe halfen Neil auf und führten ihn sanft aus dem Raum.
22
I ch hatte mir fest vorgenommen, am Montag mein Fitnessprogramm auf die Beine zu stellen. Wenn ich mich erst einmal schlank und schön getrimmt hätte, stünden meine Chancen
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