Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Titel: Rachel im Wunderland: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
Vom Netzwerk:
nehmen? Und wenn eine WBB in die Gruppe käme, würde sie nichts anderes zu berichten wissen, als dass ich auf meine Kosten kam.
    »Ich lebe seit acht Jahren nicht mehr zu Hause«, sagte ich. »Und ich glaube kaum, dass meine Mitbewohnerin dafür aus New York anreisen würde.«
    Mike lachte wieder überlegen.
    »Bei Neil ist seine Frau die WBB«, sagte er. »In der Regel sind es die Ehefrauen.«
    »Also, ich weiß nicht, warum Neils Frau überhaupt herkommt«, sagte ich. »Er ist ja kein Alkoholiker.«
    »Wirklich nicht?«, sagte Mike. Ich hörte seinen Spott heraus. »Woher weißt du das?«
    »Er hat es mir gesagt.«
    »Ach so?«
    Neil und seine Frau waren schon in der Abtklause, auch die anderen – Misty John Joe, Vincent, Chaquie und Clarence – saßen schon auf ihren Stühlen.
    Neil sah so süß und rein aus wie ein kleiner Junge, der gerade von der Kommunion kommt. Ich lächelte ihm aufmunternd zu, aber darauf war er gar nicht angewiesen. Er erwiderte es mit einem traurigen Clownslächeln. Ich war überzeugt, dass die Sitzung ziemlich langweilig werden würde, und war enttäuscht. Ich hatte mich so darauf gefreut, mehr von John Joe und seinen sexuellen Beziehungen zu Schafen zu hören.
    Emer, Neils Frau, sah noch unscheinbarer und langweiliger aus als am Tag zuvor. Sie war mir spontan zuwider, weil sie so ein Theater um Neils angebliche Trinkerei machte. Ich konnte Spielverderber nicht ausstehen. Ich hätte jede Wette abgeschlossen, dass auch sie zu dem rechtsextremen Verband Katholischer Mütter gegen Genuss aller Art gehörte, genau wie Chaquie. Sie konnte von Glück reden, dass Neil sie nicht in die Wüste geschickt hatte.
    Josephine kam herein und schlug vor, dass wir uns alle vorstellen. Dann dankte sie Emer, dass sie gekommen war, und fing an, ihr Fragen zu stellen.
    »Würden Sie der Gruppe bitte von Neils Trinkgewohnheiten erzählen?«
    Ich seufzte. Vier Halbe am Samstagabend ergaben keine gute Geschichte. Josephine sah mich an. Ich hatte Angst.
    »Also«, sagte Emer mit unsicherer Stimme, »so schlimm war er vielleicht gar nicht.« Beim Sprechen hatte sie die Augen auf ihren Schoß gerichtet.
    Er war überhaupt nicht schlimm, du blöde Kuh, dachte ich und warf ihr einen bösen Blick zu.
    »War er oft betrunken?«, fragte Josephine.
    Emer sah Josephine mit großen Augen an, wie ein Kaninchen, das im Licht eines Scheinwerfers wie gebannt verharrt. »Nein«, sagte sie mit bebender Stimme. »Ganz selten.«
    Sie warf Neil einen kurzen Blick zu und senkte dann wieder die Augen.
    Ich verachtete sie von Minute zu Minute mehr.
    »Hat er sich Ihnen und den Kindern gegenüber schlimm verhalten?«
    »Nein, nie.«
    »Ist er manchmal tagelang nicht nach Hause gekommen?«
    »Nein.«
    »Hat er Ihnen manchmal nicht genug Geld gegeben?«
    »Nein.«
    »Hat er Sie je beschimpft?«
    »Nein.«
    »Hat er Sie je geschlagen?«
    »Nein!«
    »Ist er jemals fremdgegangen?«
    »Nein.«
    Ich wollte wieder seufzen, um kundzutun, wie langweilig ich Emers Ausführungen fand, doch dann fiel mir Josephine ein, und ich ließ es lieber.
    Jetzt sprach Josephine. »Er muss manchmal etwas Schlimmes gemacht haben, sonst wäre er nicht hier.«
    Emer hob die mageren Schultern und sah nicht auf.
    »Haben Sie Angst vor Ihrem Mann?«
    »Nein.«
    »Ich werde jetzt für die anderen in der Gruppe den Fragebogen vorlesen, den Sie ausgefüllt haben, als Neil aufgenommen wurde.«
    »Nicht!«, rief Emer.
    »Warum nicht?«, fragte Josephine sanft.
    »Weil ... weil es nicht stimmt!«
    »Es stimmt also nicht, dass Neil ...«, Josephine nahm ein Blatt in die Hand, »... dass er Ihnen dreimal die Nase gebrochen hat, dass er Ihnen den Kiefer und den Arm gebrochen, Ihnen mit Zigaretten Brandwunden zugefügt, Ihre Hand in der Tür eingequetscht hat, dass er Ihre Jüngste die Treppe hinuntergeworfen hat, sodass sie durch eine Glastür fiel und ihre Verletzungen genäht werden mussten ...«
    »NICHT!«, schrie Emer und hielt sich die Hände vors Gesicht.
    Ich traute meinen Ohren nicht. Über die Mengen Alkohol, die er konsumierte, Lügen zu verbreiten, war eine Sache, aber ich war entsetzt über die Schauergeschichten, die sie über ihn erzählte.
    Neil sah die in Tränen aufgelöste Emer wütend an.
    Auch die anderen waren schockiert.
    Ich rutschte unbehaglich auf meinem Stuhl herum – nicht nur weil ich auf einem der durchgesessenen saß, sondern weil mir das Psychospiel jetzt doch nicht mehr so gut gefiel wie am Anfang. Erst war es lustig gewesen, aber jetzt

Weitere Kostenlose Bücher