Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)
Zeppelin aufgenommen.
Als Robert Plant anfing zu kreischen: »Hey, hey Mama, see the way you moo-oove, gonna make you sweat, gonna make you groo-ooveh«, packte mich die Angst, weil ich überzeugt war, dass das symbolischen Charakter hatte und Luke mir sagen wollte: »Das Alte ist vorbei,jetzt kommt was Neues.« Mit einem gewaltigen Schlag wurde mir klar, dass das Leben in New York ohne mich weiterging. Was passierte sonst noch alles, und ich wusste nichts davon?
Als das verrückte, schräge Gitarrenspiel zu Ende ging, sammelte ich mich und wartete, dass ich sprechen konnte. Aber nein! Es ging noch weiter. »Ah, ah, baby way you shake that thing, gonna make you buuurn, gonna make you stinnnggg«, grölte er. Und es folgte wilde Gitarrenmusik. Endlich sagte Shakes Stimme: »Jetzt die Nachricht, Mann.« Doch ich hatte völlig die Fassung verloren. Ich musste daran denken, wie böse Luke auf mich war, wie gemein er zu mir gewesen war. Er würde sowieso nicht mit mir sprechen wollen, und so legte ich den Hörer auf.
»Anrufbeantworter«, sagte ich mit leiser Stimme zur Sauerkraut. Sie hatte die ganze Zeit dabeigesessen.
»Das war einer Ihrer zwei Anrufe, auch wenn Sie nicht gesprochen haben.«
Um fünf Uhr waren die Besucher wieder gegangen, und alle waren gedrückter Stimmung. Außer mir.
Ich war in Selbstmordstimmung.
Nach dem Abendessen wollte ich mir aus dem Schrank im Speiseraum eine Tafel Schokolade holen, die ich dort am Tag gesehen hatte, und wurde fast erschlagen, als mir eine Lawine von Keksen, Kuchen, Gebäck und Schokolade entgegenstürzte.
»Jesus Maria!«, rief ich, als eine Tüte mit Mini-Mars mir beinahe ein Auge ausgestochen hätte. »Was soll denn das?«
»Schuldgeld«, sagte Mike. »Alle bringen immer ganze Säcke voller Süßigkeiten. Außer diesem Ekeltypen von Chaquie. Er hat ihr ein Netz Mandarinen mitgebracht. Hast du sein Toupet gesehen?«
»Dermot?«, fragte ich erstaunt. »Er trägt ein Toupet?«
»Wie konnte dir das entgehen?«, lachte Mike. »Sah doch aus wie ein schlafendes Wiesel auf seinem Schädel.«
»Und was meinst du mit ›Schuldgeld‹?« Das hatte mich unerklärlicherweise beunruhigt.
»Unsere Familien haben Schuldgefühle, weil sie uns hierhergeschickt haben.«
»Aber warum haben sie Schuldgefühle?«, fragte ich. »Ist es nicht zu eurem Besten?«
»Denkst du das wirklich?«, fragte Mike mit zusammengekniffenen Augen.
»Natürlich«, sagte ich nervös. »Wenn man Alkoholiker ist oder drogensüchtig, dann ist es das Beste für einen selbst, wenn man hierherkommt.«
»Meinst du, dass es für dich das Beste ist?«
Was sollte ich darauf antworten? Ich beschloss, ehrlich zu sein.
»Hör zu«, sagte ich verschwörerisch, »ich dürfte eigentlich gar nicht hier sein. Mein Vater hat völlig übertrieben reagiert. Ich bin nur gekommen, um meinen Eltern einen Gefallen zu tun.«
Mike fing an zu lachen, und er lachte und lachte.
»Was gibt es da zu lachen?«, sagte ich verärgert.
»Weil ich genau das Gleiche gesagt habe. Ich bin hergekommen, um meiner Frau einen Gefallen zu tun, Chaquie ist hier, um von Dermot wegzukommen, Don wegen seiner Mutter, Davy damit er seine Stelle nicht verliert, Eamonn wegen seiner Schwester, John Joe wegen seiner Nichte. Wir sind alle hier, um jemandem einen Gefallen zu tun.«
Was sollte ich dazu sagen? Ich konnte nichts dafür, wenn die anderen ihre Probleme leugneten.
21
E s war Montagmorgen.
Ich hatte eine grauenhafte Nacht hinter mir und die ganze Zeit von Luke geträumt, dann war ich schwitzend und krank vor Kummer aufgewacht. Wir sollten gerade mit der Gruppensitzung anfangen, und anscheinend würde Neils WBB, was immer das war, kommen.
»Die Abkürzung bedeutet Wichtige Beteiligte Bezugsperson«, erklärte Mike. »Zum Beispiel die Ehefrau oder Freunde oder die Eltern. Sie kommen und erzählen der Gruppe, wie schrecklich es mit dir war, wenn du betrunken warst oder bekifft oder wenn du die ganzen Vorräte aufgefressen hast.«
»Ist das wahr?« Ich spürte das Prickeln voyeuristischer Vorfreude.
Die Oprah-Winfrey-Show auf irisch. Ich sollte Mum und Helen zu einer solchen Sitzung einladen, das würde ihnen gefallen.
»Wer sind deine WBB?«, fragte Mike trocken.
»Ich habe keine«, sagte ich und war selbst überrascht.
»Hat dich denn nie einer gesehen, wenn du auf Drogen warst?«, fragte er. Er klang sarkastisch.
Es war hoffnungslos. Würden diese Idioten denn nie verstehen, dass es völlig normal war, in der Freizeit Drogen zu
Weitere Kostenlose Bücher