Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)
lindern.«
Sorry dachte ich, dafür muss ich Punkte abziehen.
Aber ich sagte nichts, weil ich annahm, das zu sagen, sei ihre Aufgabe. Ein paar Minuten lang aß ich meine Kekse und trank meinen Tee und dachte schon, ich hätte meine Ruhe wiedergefunden. Doch als ich den letzten Keks verzehrt hatte, kam der ganze Schmerz wieder hoch. Ich konnte einfach nicht fassen, wie grausam Luke gewesen war. Es tat weh wie ein Schlag auf einen Sonnenbrand. Erst gibt er mir den Laufpass, dann bereitet er mir unendliche Schwierigkeiten. Warum?
Aber das war ja nicht das Einzige, was mir zu schaffen machte, fiel mir ein, als ich mich wieder auf meinen ersten Schock besann. Der darin bestand, dass Cloisters nicht das Luxushotel voller Berühmtheiten war, das ich erwartet hatte. In dem schrecklichen Drama um den von Luke ausgefüllten Fragebogen hatte ich das ganz vergessen.
Ich befand mich in einer schmuddeligen, hässlichen Klinik voller hässlicher, dicker, ungeschlachter Alkoholiker und Drogensüchtiger. Es gab weder den Glanz der Berühmtheiten noch den Reiz des Fitnessstudios, womit ich mich von dem, was Cloisters tatsächlich war, ablenken konnte.
Dann wallte wieder die Wut auf Luke in mir hoch. Ich war zorniger als zuvor.
»Luke Costello ist ein gemeiner Lügner«, schimpfte ich unter wütenden Tränen.
Celine lachte.
Aber freundlich.
Um mich zu verwirren.
»Was gibt es da zu lachen?«, fragte ich.
»Rachel, meiner Erfahrung nach ist das, was die Leute auf diesen Formularen schreiben, die Wahrheit«, erklärte sie. »Ich arbeite jetzt seit siebzehn Jahren hier, und nicht einmal hat jemand unwahre Angaben gemacht.«
»Es gibt immer ein erstes Mal«, sagte ich schnippisch.
»Haben Sie sich mal überlegt, wie qualvoll es für Luke war, den Fragebogen auszufüllen?«
»Warum sollte es qualvoll für ihn sein?«, fragte ich überrascht.
»Weil er Sie, wenn er die Fragen beantworten kann, so gut kennt, dass ihm Ihr Wohl am Herzen liegt. Es muss ihm bewusst gewesen sein, dass seine Aussagen Sie verletzen würden. Keiner fühlt sich wohl dabei, wenn er das über jemanden, den er liebt, sagt.«
»Sie kennen ihn ja nicht.« Ich lief jetzt zu Hochform auf. »Er ist ein richtiges Ekelpaket. Es geht nicht nur um den Fragebogen. Er ist sowieso ein Lügner.«
Wirklich?, fragte ein Teil von mir überrascht.
Was macht es schon?, erwiderte ein anderer Teil meines Verstandes . Jetzt ist er jedenfalls einer, okay?
»Dann haben Sie sich Ihren Freund nicht sehr gut ausgesucht«, sagte Celine mit ihrem breiten, hausfraulichen Lächeln, das an eine Bäckersfrau erinnerte.
Das haute mich um. Einen Moment lang wusste ich darauf keine Antwort. Dann erholte ich mich. Schmeicheln ist nie verkehrt, wenn man sich nicht sicher ist.
»Das stimmt«, sagte ich ernst. »Da haben Sie ganz recht, Celine, das sehe ich jetzt auch so.«
»Oder vielleicht ist er gar nicht so übel«, sagte sie sanft. »Vielleicht möchten Sie einfach glauben, dass er ein schlechter Mensch ist, damit Sie seine Aussagen über Ihre Sucht entwerten können.«
Warum dachte sie, dass sie so gut Bescheid wusste? Sie war doch nur die Krankenschwester und zu nichts nütze, als den Leuten Fieberthermometer in den Po zu stecken.
25
D er Verzehr des letzten Schokoladenkeks aus Celines Vorrat fiel mit dem Ende der Gruppensitzung zusammen. Zeit, wieder auf meinen Planeten zurückzukehren.
Als ich in den Speisesaal kam, ganz schläfrig nach dem Schock und dem vielen Zucker, hatte ich das Gefühl, lange fortgewesen zu sein.
Neil, dieser Wichser, stand immer noch im Mittelpunkt. Die anderen hatten sich um ihn herum geschart, nickten teilnahmsvoll und murmelten zustimmend. Ich kam zu dem Schluss, dass sie alle Frauenmisshandler und Lügner waren. Auch die Frauen. Ich hörte, wie Neil sich beklagte: »Ich fühle mich so betrogen. Ich kann gar nicht richtig glauben, dass sie mir das angetan hat. Sie tickt nicht ganz richtig. Sie gehört eigentlich in eine Klapsmühle, nicht ich ...«
Einen Moment hörte ich auf, Luke zu hassen, damit ich Neil hassen konnte. Und abgesehen davon war seine Zeit als interessantester Mensch im Speisesaal abgelaufen. Ich erlebte gerade eine Katastrophe, eine echte Katastrophe, die seine mühelos in den Schatten stellte. Seine Katastrophe konnte meiner nicht das Wasser reichen!
In der Tür stehend, versuchte ich, die tragische Schönheit darzustellen.
Wie auf ein Stichwort sah Chris auf.
»Ich dachte, du wolltest nach Hause fahren«, sagte er mit
Weitere Kostenlose Bücher