Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)
einem Augenzwinkern und einem verständnisvollen Lächeln.
Meine Verkörperung der tragischen Heldin geriet einen Augenblick lang ins Wanken. Er war so freundlich zu mir gewesen, warum war er jetzt nicht freundlich?
»Mach dir nichts draus«, sagte er gutmütig. »Bestimmt würden einige derTypen hier dir gern eine Massage verpassen, eine von diesen gegenseitigen Ganzkörpermassagen. Sie könnten Sadie fragen, ob sie was von ihrem Fritieröl haben dürfen.«
»Meinetwegen können sie fragen«, rief Sadie, die gerade vorbeischlurfte, »aber kriegen tun sie keins.«
Ich schrumpfte vor Verlegenheit zusammen, denn ich wusste nicht, ob die anderen mich auslachten, weil ich geglaubt hatte, Cloisters sei eine Gesundheitsfarm.
»Das ist es ja gar nicht«, sagte ich pikiert. »Es ist was anderes passiert.«
Fast war ich froh, dass Luke mir diese grausame Schmach bereitet hatte. Das würde Chris nämlich ein für alle Mal diesen unbotmäßigen, schnippischen Ton austreiben. Wie konnte er nur? Fritieröl! Was sollte das? Die Sache war ernst.
»Ist ein Fragebogen angekommen?«, fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen.
Augenblicklich war ich auf der Hut. »Woher weißt du das?«
»Normalerweise kommt einer an, wenn man ein, zwei Tage hier ist«, sagte Chris mit ernster Miene. Erleichtert stellte ich fest, dass er mich anscheinend nicht mehr auslachte. »Und dann ist die Kacke am Dampfen. Wenigstens beim ersten Mal. Von wem ist er?«
»Von meinem Freund.« Meine Augen füllten sich mit Tränen. »Von meinem Exfreund, meine ich.« Dann fuhr ich fort: »Du glaubst ja nicht, was er gesagt hat«, und frohlockte, weil mir dicke Tränen die Wangen hinunterliefen. Ich rechnete damit, dass sie Mitleid erregen und mir viele tröstliche Umarmungen von Chris bescheren würden.
Und siehe da, er führte mich sanft zu einem Stuhl und sah mich freundlich an, während unsere Knie sich fast berührten.
Das klappte ja prima!
»Wahrscheinlich würde ich es doch glauben«, sagte Chris und streichelte meinen Unterarm, was mir fast peinlich war, so intim war es, aber gleichzeitig fand ich es auch schön. »Ich bin seit zwei Wochen hier und habe schon viel von diesen Fragebögen gehört. Bestimmt bist du auch nicht schlimmer als wir anderen hier.«
Seine Nähe betörte mich ein wenig, die Wärme seiner großen Männerhand, aber ich wollte mich nicht einlullen lassen und protestierte unter Tränen: »Du verstehst offenbar nicht. Ich bin nur gekommen, weil ich dachte, diese Anstalt hier sei eine Gesundheitsfarm. Mir fehlt überhaupt nichts!«
Ich erwartete halbwegs, dass er mir widersprechen würde, doch er gab nur ein beschwichtigendes Gemurmel von sich, ungefähr wie ein Tierarzt, der einer Kuh bei der Geburt hilft.
Ich war erleichtert.
Und beeindruckt. Viele Männer lassen sich durch die Tränen einer Frau in Verwirrung stürzen. Was nicht unbedingt schlecht sein muss. Im Gegenteil, es kann manchmal sehr nützlich sein. Aber Chris hatte sich völlig unter Kontrolle.
Wenn er sich so sehr in der Gewalt hat, wenn ich weine, dachte ich verdutzt, wie ist er dann wohl im Bett?
»Was hat denn dein Freund gesagt?«, fragte Chris und holte meine Gedanken von einem Ort zurück, wo die Menschen nackt herumlaufen.
»Exfreund«, sagte ich hastig, damit bloß keine Missverständnisse aufkamen.
Als ich an das dachte, was Luke auf dem Fragebogen angegeben hatte, wurde auch die Erinnerung daran wach, wie rührend er früher zu mir gewesen war. Eine Welle schmerzlicher Sehnsucht überkam mich und trieb mir erneut Tränen in die Augen.
»Sie haben mir nur von einer Sache gesagt, die Luke geschrieben hat«, schluchzte ich, »und das war gelogen!«
Es war nicht gelogen, eigentlich war es nicht gelogen. Aber es entwarf ein irreführendes Bild von mir und erweckte den Eindruck, dass ich kein netter Mensch war. Also war es in gewisser Weise doch eine Lüge. Und sollte Chris besser nicht zu Ohren kommen.
»Das ist ja schrecklich«, murmelte Chris. »Wenn dein Freund Lügen über dich verbreitet.«
Der Ton seiner Stimme weckte in mir den Verdacht, dass er sich wieder lustig machte. Doch als ich ihm einen scharfen Blick zuwarf, war sein Gesicht ausdruckslos und glatt. Also weinte ich weiter.
»Luke Costello ist ein absolutes Arschloch«, schluchzte ich. »Ich muss verrückt gewesen sein, dass ich überhaupt was mit ihm angefangen habe.«
Ich machte eine Drehung und legte den Kopf auf den Tisch. Dabei streiften meine in Strumpfhosen gekleideten
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