Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)
winzigen Freunde. Sie musterten zweifelnd die Ballons, die Chips und den leeren, stillen Raum im rosa Lampenlicht.
Während Carlos Musik auflegte und Brigit ihn übel beschimpfte, zogen seine kleinen Freunde mich mit ihren feuchten braunen Augen aus.
Ich konnte ihre Attraktivität nicht erkennen, wirklich nicht.
Brigit sagte, im Bett sei Carlos eine Wucht, und er habe einen enormen Schwanz. Sie sähe es nur zu gern, wenn ich mich mit einem seiner Zwergen-Freunde zusammentun würde, aber lieber würde ich meine Vagina an ein Schwalbenpärchen für den Nestbau vermieten.
Die Musik setzte ein, viel zu laut in dem leeren Zimmer, und überdröhnte Carlos, der sagte: »Tut mir leid, enamoradas « , und: »Dafür konnte ich nichts, queridas .«
»Hier.« Ich hielt Miguel eine Schale mit Chips unter die Nase. »Nimm dir welche und starr mich nicht so an.«
Die Musik, die Carlos aufgelegt hatte, war von der stark rhythmischen Art, gespielt von einer Band mit zwanzig Bläsern. Sie war gnadenlos fröhlich und klang nach Sonne und Sand und Rio und Mädchen aus Ipanema und braunen Jungen mit glänzenden Augen. Nach Männern in Hemden mit gerüschten Ärmeln, großen Strohhüten und Schnürsenkel-Krawatten, die Sambarasseln schütteln. Die Art von Musik, die als »ansteckend« beschrieben wird. Mir wurde auf jeden Fall schlecht dabei. Ich verabscheute sie.
Es klingelte, und diesmal war es ein richtiger Gast.
Es klingelte wieder, und zehn Leute strömten herein, bepackt mit Flaschen.
Ich wurde von Miguel in eine Ecke gedrängt. Ich war überrascht, dass ich nicht an ihm vorbeischlüpfen konnte. Was ihm an Körpergröße abging, glich er mit Behendigkeit aus. Seine Augen waren ungefähr auf einer Höhe mit meinen Brustwarzen, und da blieben sie auch während unseres gesamten Gesprächs hängen.
»Rachel«, flötete er und sah mich mit seinem olivfarbenen Gesicht breit lächelnd an, »am Himmel fehlen zwei Sterne, sie funkeln in deinen Augen.«
»Miguel ...«, fing ich an.
»Tomas«, strahlte er zurück.
»... also gut, Tomas, meinetwegen«, sagte ich. »In deinem Mund fehlen zwei Zähne, sie sind in meiner Faust. Oder da werden sie sein, wenn du mich nicht in Ruhe lässt.«
»Rachel, Rachel«, sagte er mit schmachtendem Blick. »Möchtest du nicht ein bisschen Latino in dir haben?«
»Wenn du mit dem bisschen Latino gemeint bist, dann nein.«
»Aber warum nicht? Deine Freundin Breegeet mag Carlos.«
»Brigit geht es auch nicht gut. Außerdem bist du zu klein. Ich würde dich plattdrücken.«
»Aber nein«, säuselte er. »Wir Kubaner sind geübte Liebhaber, wir beide können viel Schönes miteinander entdecken, und es besteht keine Gefahr, dass du mich pla...«
»Bitte.« Ich hob die Hand. »Hör auf.«
»Aber du bist eine Göttin. In meinem Land würde man dich verehren.«
»Und du bist ein schmieriger Betrüger, in meinem Land würdest du in einem Steinbruch arbeiten müssen.«
Daraufhin war er ein wenig eingeschnappt, aber leider hatte ich ihn nicht so weit beleidigt, dass er sich abwandte.
Dann hatte ich eine glorreiche Idee. »Warte mal, du bist doch Kubaner, oder? Hat du vielleicht etwas Koks bei dir?«
Das war zum Glück genau die falsche Frage. Es stellte sich nämlich heraus, dass Tomas’ Onkel Paco erst kürzlich der amerikanischen Küstenwache ins Netz gegangen war, als er mit einer Jacht voll Schnee anlegen wollte. Paco schmorte zurzeit in einem Gefängnis in Miami, und Tomas war über meine Routinefrage empört.
»Ich habe doch gar nicht gesagt, dass du ein Verbrecher bist«, verteidigte ich mich. »Ich dachte einfach nur, ich frage mal, weil Wayne noch nicht hier ist.«
Tomas erzählte noch was von Familienehre und ähnlichem Schrott, dann sah er mir wieder tief in die Augen und sagte: »Lass uns nicht streiten.«
»Mir macht es nichts aus«, sagte ich. »Von mir aus können wir auch streiten.«
Er stellte sich auf Zehenspitzen und griff nach meiner Hand. »Rachel«, sagte er mit vielsagendem Blick, »tanz mit mir.«
»Tomas«, sagte ich, »dann tue ich dir nur weh.«
Zum Glück kam in dem Moment Wayne zur Tür herein.
Beinahe wäre ich in dem Ansturm auf ihn niedergetrampelt worden, aber ich nutzte mein Recht als Gastgeberin und drängelte mich vor. Kokain auf einer Party war das Beste überhaupt. Nichts anderes steigerte mein Selbstwertgefühl so sehr und gab mir den Mut, einen Mann anzumachen. Ich liebte das Gefühl der Unbesiegbarkeit, das es in mir auslöste.
Denn irgendwo tief in
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