Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)
meinem Inneren wusste ich, dass ich anziehend war. Aber erst nach ein, zwei Lines drang dieses Wissen an die Oberfläche. Alkohol war auch nicht schlecht. Aber Kokain war viel, viel besser.
Es hatte nicht nur auf mich diese Wirkung – auch die anderen waren viel netter, wenn ich Kokain gesnifft hatte. Sie sahen besser aus, waren witziger, interessanter und verführerischer.
Brigit und ich kauften uns zusammen ein Gramm. Das Hochgefühl setzte ein, lange bevor ich überhaupt was genommen hatte. Schon die Transaktion mit Wayne reichte, um mein Adrenalin in Schwung zu bringen. Die Dollarnoten, die ich ihm gab, waren glatter und grüner als sonst. Ich gab sie freudig aus der Hand. Das kleine Päckchen in meiner Hand fühlte sich phantastisch an, ich ließ es auf meiner Handfläche hüpfen und spürte seine magische, schwere Dichte.
Das, was beim Kokainschnupfen am wenigsten Spaß machte, war das Schlangestehen vor den Damentoiletten in einer Bar oder einem Club oder wo auch immer man es nehmen wollte. Deswegen war das Gute an der Party in unserer Wohnung, dass ich nirgendwo warten musste. Brigit und ich gingen sofort in mein Zimmer, wo ich auf der Kommode Platz machte.
Brigit wollte die Kubakrise mit mir erörtern.
»Ich ertrage das nicht«, sagte sie. »Er behandelt mich wie ein Stück Scheiße.«
»Warum schickst du ihn dann nicht in die Wüste?«, schlug ich vor. »Er hat keinen Respekt.«
Ich fand außerdem, dass es ein schlechtes Licht auf mich warf, weil meine Mitbewohnerin mit jemandem zu tun hatte, der so wenig cool war wie Carlos.
»Ich bin ihm verfallen«, seufzte Brigit. »Ich kann ihm nicht widerstehen. Und weißt du was? Ich mag ihn nicht einmal.«
»Ich auch nicht«, sagte ich.
Das war ein Fehler. Man durfte einer Freundin nie zustimmen, wenn sie mit ihrem Typen in einer schwierigen Phase steckte. Denn kaum hatten sie sich wieder versöhnt, fiel sie über einen her und sagte: »Was meinst du damit, du kannst Padraig/Elliot/Miguel nicht leiden?« Dann erzählte sie ihm davon, und dann hassten sie dich beide und fälschten die Geschichte, indem sie sagten, du hättest versucht, einen Keil zwischen sie zu treiben.
Und sie schwiegen dich an, wenn du mit ihnen im selben Zimmer warst. Sie boten dir kein Stück von ihrer Pizza an, obwohl sie ausreichend hatten, viel zu viel für zwei, und du selbst warst am Verhungern und hattest noch nichts gegessen. Und sie waren der Anlass großer Verunsicherung, weil du befürchten musstest, sie könnten zusammenziehen und es dir erst in letzter Minute sagen, und dann müsstest du die ganze Miete bezahlen, bis du eine neue Mitbewohnerin gefunden hättest.
»Ah, natürlich ist er große Klasse«, sagte ich hastig. Dann vergaß ich ihn völlig, weil wir uns zwei schöne, üppige Lines zurechtgelegt hatten.
Ich war zuerst dran, und während Brigit ihre Line sniffte, spürte ich das Kribbeln in meinem Gesicht, das die Lähmung der ersten Ladung auflöste. Ich drehte mich zum Spiegel um und lächelte mir zu. Gott, sah ich heute Abend gut aus! Strahlend. Und wie rein meine Haut war. Wie glänzend mein Haar. Und was für ein warmes Lächeln. So koboldhaft, so sexy. Und meine beiden Eckzähne, die vorstanden und mich normalerweise zum Wahnsinn trieben – plötzlich erkannte ich, wie gut sie zu mir passten. Sie erhöhten noch meinen Charme. Ich lächelte Brigit zu.
»Du siehst schön aus«, sagte ich.
»Du auch«, sagte sie.
Und dann sagten wir wie aus einem Munde: »Nicht so schlecht für ein Paar Tussis.«
Dann gingen wir wieder zu unseren Gästen.
27
I n kürzester Zeit war die Wohnung zum Bersten voll. Es gab eine meilenlange Schlange vor dem Badezimmer, in der die Leute warteten, die bei Wayne eingekauft hatten, sich aber nicht trauten, den Koks öffentlich zu sniffen. Diese Zurückhaltung gab man nach der ersten Line auf.
In meiner kurzen Abwesenheit war die Musik noch schauerlicher geworden, und ich wollte etwas dagegen unternehmen, aber Carlos hatte all die anderen CDs versteckt. Brigit war mir keine Hilfe, als ich in aller Eile das Versteck zu finden versuchte, weil sie vollauf damit beschäftigt war, es Carlos im Hüftkreisen nachzutun. Ich bangte um unsere wenigen Dekorationsstücke, und nach einem besonders heftigen Hüftschwung hatte ich schlimmste Befürchtungen für die Deckenlampe.
Dann tanzten alle vier Kubaner, mit flinken Füßen und entfesselten Hüften, und alle Frauen im Zimmer sahen wie gebannt zu. Ich musste mich abwenden.
Immer mehr
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