Rachel ist süß (German Edition)
schien an diesem Sonntagmorgen der Text lauter zu sein als die Musik und die Glocken zusammen.
I saw an angel, of that I‘m sure. She smiled at me on the subway. She was with another man. But I won‘t lose no sleep on that, cause I‘ve got a plan …
Sehr richtig, dachte sie. Ein Plan schafft Ordnung. Was sollte sie jetzt lange darüber nachdenken, warum Lenas Stimme, ihr Geruch und ihr Anblick wie glänzende Flipperkugeln kreuz und quer in ihrem Kopf herumschossen, Emotionen weckten, schmerzhaft gegen Nervenenden schlugen und immer wieder durch den Hals in den Magen rollten, wenn sie nicht einmal wusste, wie sie Lena erreichen sollte? Sie schlug als Erstes das Telefonbuch auf und fand Lena und Uwe in trauter Zweisamkeit unter seinem Nachnamen. Ihr Kopf wurde wieder leer, denn das größte praktische Problem war damit bereits gelöst.
You‘re beautiful. You‘re beautiful. You‘re beautiful, it‘s true. I saw your face in a crowded place, and I don‘t know what to do …
Warum sollte ich denn nicht mit der Frau meines Exgeliebten befreundet sein, dachte Maren, als sie vor der Haustür mit der richtigen Hausnummer den Wagen abstellte. Sie schaute sich kurz in allen Spiegeln um, ob sie Uwes Wagen entdecken konnte, aber auf der Straße war nichts zu sehen. Im Rückspiegel erhaschte sie dafür einen flüchtigen Blick auf ihr Gesicht und war überrascht, wie krank sie aussah. Ihre Augen glänzten sie fiebrig an und auf ihren Wangen prangten kleine rote Flecken. Sie stieg aus, ging auf die Türe zu und klingelte, ohne innezuhalten, weil sie wusste, dass ihr sonst der Mut dafür fehlen würde.
„Ich will dich im Moment nicht sehen, ist das so schwer zu verstehen!“ Lena riss die Türe auf und brüllte ihr den Satz so laut entgegen, dass Maren einen Schritt zurücktrat. Sie sahen sich wieder an, Lena mit offenen wirren Haaren und verweinten Augen und Maren mit einem Körper, der nur noch aus klopfendem Herzen bestand.
„Du bist ja gar nicht Uwe.“
„Nein, bin ich nicht.“ Maren überspülte bei Lenas Anblick das gleiche rauschhafte Glück, das sie am gestrigen Abend verspürt hatte, und sie beugte sich vor und strich Lena eine der Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Ich weiß nicht, was gestern passiert ist, und ich denke, du weißt es auch nicht, aber ich weiß, dass du die schönste und interessanteste Frau bist, die ich jemals gesehen habe, und dass ich in deiner Nähe sein will.“
Lena schwieg lange mit geschlossenen Augen und schüttelte dann den Kopf.
„Maren, es geht mir nicht gut. Ich muss mein ganzes Leben neu sortieren und meine Beziehung zu Uwe klären. Da bleibt keine Zeit für Experimente mit einer jungen Frau. Mit einer außergewöhnlichen jungen Frau, wie ich gerne zugebe.“
„Ich bin kein Experiment.“ Maren kämpfte gegen den Schmerz, der sich in ihr ausbreiten wollte. „Ich bin die Frau, die dich lieben will!“
Durch Lena lief ein kleines Zittern und sie lächelte müde.
„Ich glaube leider nicht an die Liebe“, sagte sie abwehrend und trat trotzdem einen winzigen Schritt näher.
„Ich auch nicht …“ antwortete Maren und zog Lena so nah zu sich heran, dass sie ihr ins Ohr flüstern konnte: „… aber ich habe kürzlich festgestellt, dass das der Liebe vollkommen gleichgültig ist.“
Goldener Oktober
Sieh mal, die Blätter fallen schon“, sagte ich mit gut gespieltem Bedauern und wies mit der Hand auf das kärgliche Häuflein grün-gelblichen Laubes, das ich am Abend zuvor unter Aufbietung aller Kräfte von der kleinen Birke in unserem Garten geschüttelt hatte. „Es wird Herbst und dann ist es bald schon Winter und wir müssen die Fahrräder winterfest machen und in die Garage hängen.“
Ich war von der Wehmut in meiner Stimme selbst wohl am meisten ergriffen, denn meine Liebste würdigte das karge Blattwerk keines Blickes und ließ ungerührt einen weiteren Tropfen Fett auf die Fahrradkette fallen, bevor sie antwortete: „Gerade der Herbst kann noch so viele wundervoll warme Tage haben. Außerdem …“ Sie holte Luft und ich wusste, dass sie mein scheinheiliges Bedauern jetzt mit dem schlimmsten aller Sätze bestrafen würde. „… gibt es kein schlechtes Wetter, es gibt nur schlechte Kleidung! Das mit dem Winter hat noch viel Zeit. Wir haben übrigens für das kommende Wochenende noch einmal eine große Tour geplant.“ Sie drehte voller Vorfreude die Pedale und das leise Ticken der
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