Rachel ist süß (German Edition)
dabei zu. Ich zertrat die Fernbedienung, was den Fernseher verstummen ließ und griff zum Telefon.
Mein Daumen wählte Isas Nummer, ohne dafür das Gedächtnis zu bemühen, und selbst jetzt freute ich mich auf ihre Stimme. Der von mir gewünschte Teilnehmer schien allerdings geahnt zu haben, dass sich „erst mal“ sehr unterschiedlich auslegen ließ, und war vorübergehend nicht erreichbar. Die fremde Stimme vom Band schnitt mir in zwei Sprachen sorgfältig ein großes Stück aus meinem Herzen, bis ich es schaffte, den roten Knopf auf dem Handy zu drücken. Mir fehlte die Kraft, das Wort „vorübergehend“ im Lexikon nachzuschlagen und ich begann stattdessen zu weinen, bis mir der Hals wehtat.
Ich schlief auf dem Sofa ein, was sich richtig anfühlte, weil es mich in meiner eigenen Wohnung heimatlos wirken ließ, und träumte nicht von Isa, was mich beim Erwachen wunderte. Die Sonne zog sich gerade mit einem letzten lustlosen Klimmzug am Dachfirst des gegenüberliegenden Mietshauses hoch und fiel dann erschöpft auf meine Fensterbank. Mein Handy zwitscherte eine kleine Melodie, als gehörte es zu jenen Vögeln, die den Morgen verkünden.
Isas Botschaft war kurz. „Ich konnte ohne dich nicht schlafen“, stand da. Die Hoffnung kroch blitzschnell unter dem Sofa hervor und zwinkerte mir noch ein wenig schwach zu. „Du fehlst mir“, tippte ich so vorsichtig zurück, als würde ein einziger Fehler die Explosion atomarer Sprengköpfe zur Folge haben.
Dann begann ich die winzigen bunten Bauteile der Fernbedienung auf dem Boden zusammenzusuchen.
Wo du hingehst , da will auch ich hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. (Ruth 1, 16)
Als Lara zum ersten Mal diese Stimme hörte, huschte ihr eine kleine Gänsehaut wie ein eiliges, vielbeiniges Tier vom Ohr über den Hals, die Wirbelsäule hinab und hinterließ eine Spur des Wohlbehagens. Das kann nicht sein, dachte sie, nicht jetzt, nicht hier, und sie schob die flüchtige Erregungsspur auf ihrer Haut der kühlen Zugluft zu, die durch das leicht geöffnete Fenster gedrungen war. Aber diese sanfte Erinnerung auf ihrer Haut blieb lebendig und ließ sich auch vom Alltag nicht vertreiben.
„Hast du jemanden kennengelernt“, fragte die beste Freundin bei einem Essen, als Lara, ohne es zu bemerken, die feurig roten Tomatenwürfel auf ihrem Salatteller aus dem französischen Wildsalat befreit und in Herzform neben dem überbackenen Ziegenkäse angeordnet hatte. Lara überlegte zu lange und das hieß immer ja und deshalb stritt sie es nicht länger ab.
„Und? Wer ist sie?“, wollte die beste Freundin kauend wissen. Sie aß mit großem Appetit. Die gebremste Romantik einer langjährigen Beziehung gab ihr ganz offensichtlich keinen Anlass, ihr Duo von Gebleichtem Löwenzahn & Schwarzem Senfsalat mit Datteln vor dem Verzehr neu zu arrangieren.
„Ich weiß es nicht“, antwortete Lara ehrlich und versuchte, den Klang der fremden Stimme in einer großen Gabel Tomatenherz zu schmecken.
„Werde ich sie kennenlernen?“ In den Augen der Freundin war etwa zu gleichen Teilen Interesse an Laras Liebesleben und Sorge um den zaghaft zerlaufenden Ziegenkäse zu sehen
„Eher nicht, sie ist nicht von hier.“ Lara legte ihre Gabel zur Seite.
„Eine Fernbeziehung, wie romantisch, darf ich?“ Die beste Freundin deutete auf Laras fast unberührten Teller. Lara nickte und sah zu, wie der Käse und nach und nach auch der Rest ihres Salates im Mund der hungrigen Freundin verschwanden.
„Wirst du sie wieder sehen?“, fragte die Freundin am Ende des Abends und nutzte Laras nachdenkliches Schweigen, um ihr noch einmal ihre drei letzten schweren Fehlentscheidungen vor Augen zu führen.
„Sie ist nicht so“, sagte Lara mit einer Bestimmtheit, die ihre Freundin für einen Moment innehalten ließ, bevor sie Lara um den Rest ihrer Creme brulee bat.
Lara gönnte sich die fremde Stimme in den folgenden Tagen in stetig wachsenden Dosen und bei jedem Schauer freudiger Erregung erfüllte sie eine Mischung aus Glück und Angst. Sie fühlte sich wie eine Drogensüchtige, die fürchtete, dass ihr geheimer Vorrat nicht mehr lange reichen würde. Heute nur einmal, befahl sie sich und brach die Regel schon in der Mittagspause. Abende und Wochenenden waren schnell ganz für Ruth reserviert, deren Namen sie wusste, ohne ihn erfragt zu haben.
Mit der Sehnsucht nach dieser körperlosen Stimme war sie zu ihren lesbischen
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