Rachel ist süß (German Edition)
mich um und ging zur Tür.
„Warte!“, rief sie. „Willst du denn den Rest nicht hören? Deshalb bist du doch gekommen, oder?“
Ich schüttelte im Gehen den Kopf und mied ihren Blick.
„Sie ist jedoch die Erste, mit der ich geschlafen habe“, sagte sie deshalb lauter. „Und die Erste, die ich liebe.“ Sie wusste, dass ich mich umdrehen würde, und deshalb warteten ihre Augen schon auf mich, obwohl sie weiter zu ihrem Mann sprach.
„Ich wäre bei dir geblieben, weißt du? Wegen der Leute … aus Angst … aus Bequemlichkeit …“
In der winzigen Pause zwischen ihren Worten fanden unsere Blicke Zeit, alle weiteren Fragen, die uns betrafen, auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben.
„Ich weiß eigentlich gar nicht so genau, warum ich geblieben wäre. Aber du machst mir die schwerste Entscheidung meines Lebens leicht.“
Sie stellte den kleinen Radfahrer wieder ordentlich auf den kleinen Radweg, trat zu mir und nahm meine Hand. Ich hatte bis dahin zwar wenig zur Konversation beigetragen, sah aber meine Chance auf das letzte Wort.
„Tschüs!“, sagte ich und zwinkerte dem kleinen Radfahrer aufmunternd zu.
Erst mal
Wir sollten erst mal keinen Kontakt haben, sagte Isa, und das Geräusch der Tür, die sie fest hinter sich zuzog, klang wie ein lebendig gewordenes Ausrufezeichen.
Wie melodramatisch!
Ich starrte die Tür einige Minuten vorwurfsvoll an. Hätte man mich vorher gefragt, hätte ich geschworen, dass die Tür und die Möbel bedingungslos zu mir halten würden, schließlich hatte ich sie ausgesucht und gekauft. Die Tür hatte ich natürlich nicht einzeln gekauft, sondern die Wohnung, zu der sie gehörte, aber das gab dieser Durchschnittstür ohne Sicherheitskette und Spion noch lange nicht das Recht, sich im Konfliktfall auf die feindliche Seite zu schlagen.
Das ist kein Konflikt mehr, den man durch Gespräche lösen könnte, hatte Isa mir gestern erklärt. Ich sah jetzt noch deutlich, wie ihr Daumennagel dabei eine tiefe Furche in den Weichholzstuhl, den sie unbehandelt für unsere Küche schöner gefunden hatte, ritzte. Ich liebe dich einfach nicht mehr, hatte sie genau in dem Moment, als die Furche den Rand des Polsters erreicht hatte, gestanden. Was ist denn daran einfach, hatte ich gefragt und fand auch jetzt noch, da ich ihre Reaktion kannte, dass das eine gute Frage gewesen war.
Ich schaffte es, von der verräterischen Tür in Richtung Wohnzimmer zu gehen und bemerkte, dass aus den Flurwänden schon diese hässliche „Sie-kommt-nicht-wieder-Atmosphäre“ tropfte. Jetzt hieß es, bloß nicht sofort in diese Tropfen hinein zu treten und die Flecken in der ganzen Wohnung zu verteilen. Auf Zehenspitzen durchquerte ich den Rest des Flures und ließ mich wie eine erschossene Ente in den Sessel fallen, auf dem ich nicht mehr gesessen hatte, seit Isa eingezogen war und wartete.
Wie lange dauerte eigentlich „erst mal“?
Ein paar Stunden?
Ein paar Tage?
War „erst mal“ die Zeitspanne bis zur nächsten Menstruation oder bis zum Einsetzen der Wechseljahre? Bis zum nächsten Sonnenuntergang oder bis zur nächsten totalen Sonnenfinsternis? Ich schloss die Augen und öffnete sie schnell, schloss sie wieder und öffnete sie langsam, kniff sie zusammen und schlug sie nacheinander auf.
Die Zeit tat das, was sie immer tat, wenn man ihr bei der Arbeit zuschauen wollte. Sie stellte sich tot. Auf der Uhr an der Wohnzimmerwand war Isa jetzt seit 10 Minuten weg und auf der digitalen Uhr des DVD Players war sie nie gekommen und würde nie gehen. Von dort blinkten mir vier Nullen entgegen, die mir aber wohl eher etwas über meinen Gemütszustand als über die Zeit verraten wollten. Ich strich tröstend über die weiche Lehne der großen Couch, die es einfach nicht glauben wollte, dass Isa sich heute Abend nicht wie sonst an ihre rechte Seite kuscheln und die Füße in ihren Kissen vergraben würde. Für Möbel ist so eine Trennung auch nicht leicht, dachte ich und versicherte der Couch, dass der Sessel auf jeden Fall bleiben würde. Alle Möbel würden bleiben.
Isa war so gegangen wie sie gekommen war: mit ein paar Büchern, drei Koffern voller Kleidung und einer Aktentasche, in deren Innenfach die handschriftlichen Mietüberweisungen für eine Wohnung, die wir beide als überflüssiges Sicherheitsnetz betrachtet hatten, vor Genugtuung glühten.
War „erst mal“ jetzt vielleicht schon vorbei? Ich
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