Rachel ist süß (German Edition)
…“ Sein jetzt fast ängstlicher Blick machte sie noch unruhiger. „… schlimme Sache, ich war im Krankenhaus, nachdem sie ihn operiert hatten.“
All dieser Aufwand, nur um ihr eine Krankenhausgeschichte seines besten Freundes zu erzählen? Ausgerechnet ihr?
Er sprach weiter, als dränge es ihn, endlich einmal davon zu erzählen. „Ich war an seinem Bett als er aufwachte. Sie mussten ihm seine, Sie wissen schon, … seine …“ Er deutete unsicher in die Richtung seiner eigenen Genitalien.
„… entfernen … schwerste Quetschungen, er war nicht angeschnallt.“
Eine feine Gänsehaut überzog ihre Arme und sie rieb mit beiden Händen darüber. Er bemerkte es und versuchte ein Lächeln und schüttelte sich dann unbehaglich.
„Kein schönes Thema für eine Frau, für einen Mann schon gar nicht. Auch sein Gesicht ist entstellt, zerschnitten. Er ist aufgewacht und hat meinen Namen gerufen. Er hat geweint und immer wieder gestammelt: ,Du musst sie finden!‘ “
Kendra konnte nicht verhindern, dass ihre Hände sich um die Stuhllehnen krampften. „Wen sollen Sie finden?“
Das Sprechen fiel ihm sichtbar schwer. „Ich soll die Leute finden, die ihn bedroht haben.“ Er machte eine Pause „Ich soll die Schweine finden, die ihm das angetan haben.“
„Ich denke, es war ein Autounfall.“ In Kendras Gedanken begann es zu regnen.
„Das sagt die Polizei. Ich habe mich erkundigt, kein Fremdverschulden zu erkennen. Er hatte zum Zeitpunkt des Unfalls 1,7 Promille und wohl einfach die Kontrolle über seinen Wagen verloren. Zeugen sind keine bekannt, es war eine wenig befahrene Landstraße.“
„Und was sagt er?“ Sie wusste genau, was er sagte, aber das konnte der Chefredakteur nicht wissen.
„Das bleibt absolut unter uns, nicht wahr?“ Drohend klopften seine Finger auf die Schreibunterlage.
„Natürlich.“
„Er sagt, er wäre bedroht worden, schon länger. Sie hätten ihn gewarnt, wegen einer Sache mit seiner Tochter, dabei ist da kaum was passiert. Sie müssten die Kleine mal sehen … das ist schon lange kein Kind mehr.“ Er dachte einen Moment darüber nach, wie er seinen Ausbruch politisch korrekt erklären konnte.
„Wenn die jungen Dinger es drauf anlegen, so etwas kann schwer sein für einen Mann, auch für einen Vater. Wir sind doch keine Heiligen.“
Sie hatten es getan, Kendra war sich plötzlich sicher. Sie war nicht verrückt. Heute Nacht würde sie das Wort „Vergeltung“ googeln.
„Ich habe mal ein wenig recherchiert in den alten Meldungen. Es hat nur Männer getroffen. Ist zwar abwegig, aber wenn sich da draußen wirklich irgendwelche wild gewordenen, vergessenen Emanzen breitmachen, muss man eingreifen.“ Der Gedanke schien ihm zu gefallen und er lächelte das vergilbte Schulfoto an, bevor er weitersprach. „Und? Haben Sie damals etwas gefunden?“
Sie wischte sich eine unsichtbare Fluse von der Schulter und antwortete mit betont gleichgültigem Tonfall.
„Ich bitte Sie, das ist doch völlig verrückt. Wo nichts ist, kann man auch nichts finden.“
Der massige Mann richtete sich schnaufend im Bett auf.
„Hast du etwas für mich?“
„Noch nicht. Vielleicht solltest du doch lieber die Polizei …“
„Die Polizei hält mich für einen armen Spinner, der seine besoffene Spritztour vertuschen möchte. Von denen ist keine Hilfe zu erwarten. Du musst sie finden, für mich, bitte!“
Seine Hand umfasste flehend den Jackettärmel des Freundes. Der Chefredakteur wich verlegen zurück, in seinem Rücken zerlegte auf dem Monitor an der Wand ein jugendlich wirkender Fernsehkoch ein Lamm und präsentierte laut lachend die einzelnen Teile.
„Ist ja in Ordnung, ich tue ja was ich kann.“
Er ordnete die Blumen auf dem Nachttisch neu, um nicht in das entstellte, weinerliche Gesicht seines besten Freundes schauen zu müssen.
„Ich habe mit dieser Redakteurin gesprochen, du weißt schon, die, die glaubt, einer Verbrechensserie auf der Spur zu sein. Sie sagt, sie hat nichts herausgefunden. Aber ich habe mich erkundigt, sie fährt immer noch jede Nacht durch die Gegend, sagen die Kollegen, und lässt sich hin und wieder Polizeiberichte kopieren. Wenn es da etwas zu wissen gibt, dann ist sie dem möglicherweise auf der Spur.“
Der Freund griff wieder nach seinem Jackenärmel. „Dann musst du herausfinden, was sie weiß. Lade sie ein, befördere sie, gib ihr Geld.
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