Rachel ist süß (German Edition)
die Stimme abschließend und es wurde wieder dunkel und still. Er überlegte nicht. Sie hatten mehr Material als sie brauchten, um sein Leben zu zerstören. Diese Schweine, sie ließen ihm keine Wahl. Er musste tun, was sie verlangten. Der Wagen setzte sich nach seinen lauten Beteuerungen wieder in Bewegung und hielt nach einer diesmal eigenartig kurzen Fahrt an. Der Kofferraumdeckel sprang ruckartig auf. Er kroch vorsichtig über den Rand und fühlte, wie er sich vor Erleichterung in die Hose machte, als er sein Auto am Straßenrand entdeckte. Hinter ihm verschwand der dunkle Wagen lautlos in der Nacht. Er stürzte in sein Auto und raste davon. Aus dem Dunkel der anderen Straßenseite starrte Sea missmutig seinen schnell kleiner werdenden Rücklichtern nach.
Du bist das Meer und ich bin der Sand. Sands wortlose Botschaft wischte die Bilder in ihrem Kopf beiseite. Sie lehnte sich an ihre Gefährtin. „Ich mag es einfach nicht, wenn sie uns in den Kofferraum kotzen!“
Sea legte den Arm um die Schultern der Gefährtin und ließ die Strahlen des Dreilichts für eine Sekunde in den Himmel schießen. „Wenn er das noch mal macht, bringe ich ihn um.“
Der Chefredakteur rückte Kendra mit der Freundlichkeit einer Würgeschlange, die ein Kaninchen zu Besuch hatte, einen Stuhl an seinen Schreibtisch.
„Setzen Sie sich. Kaffee?“
„Nein danke.“ Dass er freiwillig seinen immer zu starken, zu alten und zu kalten Kaffee anbot, galt in der gesamten Redaktion als eines der Zeichen für den Beginn der Apokalypse. Sie nahm ihm gegenüber Platz, schlug die Beine übereinander und bereitete sich darauf vor, entlassen zu werden. Der Gedanke ließ sie kalt. Sie sah in Gedanken die fremde dunkle Frau vor sich und hörte ihre Stimme. Auch wenn sie nur in ihrem Kopf war, war sie trotzdem wundervoll.
„Wie kommen Sie voran mit der Hafengeschichte?“ Er goss Kaffee aus der fleckigen Thermoskanne in seinen Becher. Als er die Kanne hochzog, schwappte ein großer Fleck auf den Tisch, den er eigenartigerweise nicht beachtete.
„Gut, soweit mich der Hafenmeister in seine Karten sehen lässt.“
„Schön.“ Das Thema interessierte ihn genauso wenig wie der Kaffeefleck.
Sein Stuhl wippte ungeduldig und er trank in kleinen, schlürfenden Schlucken.
Kendra fragte sich, was das für ein Gespräch werden sollte. Wenn er sie feuern wollte, hätte er das schon im zweiten Satz getan. Zartgefühl und überflüssige Floskeln waren nicht seine Art.
„Wegen der Story, die Sie mal recherchiert haben …“ Sein Satz blieb unbeendet in der Luft hängen und beide lauschten einen Moment andächtig der Stille im Raum, bis Kendra schließlich fragte: „Welche Story?“
Seine Kaffeetasse landete spritzend in der Pfütze neben dem Briefbeschwerer. „Diese Verbrechen, ich meine diese Sachen, die Sie für Verbrechen hielten.“
Kendra fühlte ihr Herz plötzlich schlagen und schwieg. Er zog mit dem Finger energisch eine Spur durch die Kaffeelache auf seinem Schreibtisch, als gälte es, das rote Meer zu teilen.
„Hat sich da eigentlich irgendetwas ergeben?“
Warum wollte er das plötzlich wissen? Hatte er nicht mitbekommen, dass die schwarze Witwe den Verstand verloren hatte und nichts als Gespenster jagte?
Er erwiderte ihren langen Blick mit heftig blinzelnden Augen.
„Da war nichts dran, oder?“
Sie beugte sich vor und betrachtete seine flackernden Augen mit Widerwillen. „Warum interessieren Sie sich dafür?“
Seine rechte Hand fuhr zum Hals und lockerte die Krawatte, der nasse Zeigefinger hinterließ dabei einen dunklen Fleck auf dem gelblichen Kragen. Kendra konnte seine Unruhe deutlich spüren.
„Nur so eine Idee von mir, wahrscheinlich ist alles Quatsch!“
„Was, alles?“ Sie rückte ihren Stuhl näher an den Schreibtisch und die Rollen veränderten sich. Jetzt hypnotisierte das Kaninchen die Schlange. Einen Moment lang schien er sich aus der Umklammerung ihres Blickes lösen zu wollen, dann deutete er ergeben auf eines der Bilder an der Wand. „Mein bester Freund, wir sind zusammen zur Schule gegangen.“
Sie kannte das Bild, es war der Anlass für vielstrophige, ungereimte jugendliche Heldenepen, die die gesamte Redaktion stumm ertrug.
„Er hatte einen Autounfall.“
„Das tut mir leid.“ Sie wusste noch genau, wie eine Stimme klingen musste, die Mitleid empfand, also wählte sie den richtigen Tonfall.
„Ja
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