Rachel
Nachmittag oben in den Bergen gesehen hatte, war das einfach zu viel für sie. Sie fühlte sich wie ein Kreuzritter, der gegen das Böse in der Welt kämpft, um dem Guten zum Sieg zu verhelfen. Ohne in ihrer Entrüstung lange nachzudenken, stieß sie mit beiden Händen die Schwingtüren auf und stürmte in den Brimestone Saloon, um ihrer Empörung Luft zu machen.
Als Trey sie sah, war er offensichtlich so überrascht, dass er seine Armmuskeln für den Bruchteil einer Sekunde entspannte, aber das genügte seinem Gegner, um Treys Hand auf die Tischplatte zu hämmern und damit den Kampf zu gewinnen. Die Zuschauer jubelten und beklatschten den Sieger - nur Trey natürlich nicht, dessen Gesicht hochrot angelaufen war und der aussah, als würde er gleich seinen Zigarillo verschlucken. Der Gewinner und seine Freunde riefen nach Whisky, während sie amüsiert Rachel beobachteten, die wie eine Dampfmaschine auf den Ti sch zukam.
Trey erhob sich ganz langsam und sah ihr ins Gesicht. »Was zum Teufel...?«, begann er, aber er war offensichtlich so wütend, dass er nicht mehr sprechen konnte. Er schwieg, ballte die Hände zu Fäusten, entspannte sie und ballte sie wieder.
Es war Rachel ziemlich gleichgültig, dass sie ihm diesen dummen Wettstreit verdorben hatte, ihr ging es schließlich nur um Emma, die das Ganze mit weit aufgerissenen Augen und außer Atem von der Treppe aus beobachtete. Emma hatte mit jeder Hand eine der Geländerstangen umfasst und ihr Gesicht dazwischen gepresst, als wollte sie den ganzen Kopf durchs Geländer stecken.
Nachdem Rachel tapfer in die Höhle des Löwen gestürmt war, wusste sie plötzlich nicht so recht, was sie eigentlich sagen oder tun sollte. Sie hatte einem Impuls folgend den Saloon betreten und ihre ehrliche Empörung hatte ihr die Kraft dazu verliehen, aber als sie jetzt Trey gegenüberstand und in seine wutblitzenden Augen schaute, schien ihr Mut sie zu verlassen.
Aber sie gab sich innerlich einen Ruck und wich keinen Millimeter zurück. »Sind Sie sich eigentlich darüber im Klaren, dass Ihre Tochter Zeugin eines ganz traurigen Spektakels war?«, fragte sie mit einem grimmigen Unterton.
Trey hob die Augenbraue. Er wirkte etwas ruhiger, obwohl seine Augen immer noch funkelten. »Welches Spektakel ist denn das Schlimmere, Miss English?«, gab er kalt zurück. »Dieses - oder das andere?«
Rachel war plötzlich verärgert, denn - der Teufel sollte
Trey holen - damit hatte er gut gekontert. Was sie hier bot, war nicht gerade ein gutes Beispiel für korrektes Benehmen, aber sie würde nicht klein beigeben. Nicht in Gegenwart von Emma und all diesen heruntergekommenen Viehtreibe rn . »Wenn Ihnen das Wohl dieses Kindes auch nur ein bisschen am Herzen liegt, dann schicken Sie diese Trunkenbolde weg und machen diesem Laster ein für allemal ein Ende.«
Trey stützte seine Hände auf die Hüften und beugte den Oberkörper so weit vor, dass sein Gesicht Rachels Gesicht unangenehm nah war. »Wenn ich den Saloon dichtmache, Miss English«, erwiderte er mit wohl überlegten Worten, »wird dieses Kind Hunger leiden. Ihretwegen habe ich gerade zum ersten Mal in meinem Leben beim Armdrücken verloren - und damit gleichzeitig fünf Golddollar!«
Rachel schluckte und befeuchtete ihre Lippen hastig mit der Zungenspitze. »Dann werden Sie in Zukunft vielleicht zweimal darüber nachdenken, bevor Sie so eine Summe noch einmal bei so einem windigen Wettkampf einsetzen«, erwiderte sie.
Einer der Umstehenden lachte. »Soll das heißen, dass du am nächsten Sonntag nicht am Pferderennen teilnimmst, Trey?«
Trey brachte den Mann mit einer Handbewegung zum Schweigen, ohne dabei den Blick von Rachel abzuwenden. Sie fühlte sich wie festgenagelt, wie in Trance versetzt, unfähig, sich vorwärts oder rückwärts zu bewegen, bis er sie aus seinem Bann entlassen würde - und das machte sie angriffslustig wie ein wilder Bienenschwarm.
»Was ist das für ein Pferderennen?«, fragte sie streng.
»Eines, das ich zu gewinnen gedenke«, brummte Trey.
»Das Rennen findet am kommenden Sonntag nach Jacobs Predigt und dem großen Picknick statt«, erklärte ein anderer Mann, der nur hilfreich sein wollte ohne sich etwas dabei zu denken.
Rachel runzelte irritiert die Stirn. »Ein Picknick? Davon weiß ich ja gar nichts.«
»Das liegt daran«, sagte Trey gedehnt, »weil es eigentlich eine Überraschung hätte sein sollen. Das Ganze findet Ihnen zu Ehren statt. Miss June hat das Fest geplant, nachdem Sie
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