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Rachel

Rachel

Titel: Rachel
Autoren: Linda Lael Miller
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da gibt es eine Reihe von Problemen. Zum einen hat das Kind weder Kleid noch Schuhe. Ich könnte ihr ein oder vielleicht sogar zwei Kleider aus dem Stoff nähen, den ich mitgebracht habe, und ich kann ihr auch ein Paar Extraschuhe von mir geben. Aber außerdem gibt es da noch das Problem der Hygiene. Christabel ist vollkommen verwahrlost und sie stinkt buchstäblich bis zum Himmel.«
    »Tss, tss«, machte June mit der Zunge. »Die arme kleine Kreatur. Bringen Sie sie einfach zu mir und ich werde sie in die Badewanne stecken. Vielleicht kann ich auch Granny dazu bringen, dass sie das Mädchen hier bei uns wohnen lässt. Wenigstens im Winter.«
    »Ich kann mir kaum vorstellen, dass die alte Frau damit einverstanden sein wird«, seufzte Rachel. »Sie behauptet, dass sie Christabels Hilfe im Haus braucht - und damit hat sie ja vielleicht sogar Recht.«
    »Bullendreck«, stieß June hervor. Für ihre Verhältnisse war das schon ein kräftiger Fluch. »Granny Johnson ist nicht hilflos. Ihr macht es nur Spaß, das arme Mädchen zu schikanieren. Sobald ich Zeit dazu habe, fahre ich persönlich mit dem Einspänner zu ihr, um ihr einen Besuch abzustatten und ihr mal gründlich die Meinung zu sagen. Am liebsten gleich morgen - falls die Kutsche pünktlich kommt und ich alle abgefüttert habe, bevor ich schon wieder mit den Vorbereitungen fürs Abendessen beginnen muss.«
    Wenn überhaupt irgendjemand mit Granny fertig würde, dann war es June. Rachels Stimmung, die durch die Ereignisse des Tages gedrückt war, besserte sich sofort etwas und sie sah einen kleinen Hoffnungsschimmer. »Wenn Sie die sture alte Frau übernehmen, kümmere ich mich morgen ums Abendessen.«
    »Ein faires Angebot«, meinte June zustimmend und lächelte dabei. »Ich nehme zwar nicht an, dass Granny mich erschießen wird, aber man weiß ja nie.*
    Rachel ging in ihr Zimmer, wusch sich gründlich, wechselte die Kleidung, bürstete ihr Haar aus und steckte es wieder hoch. Es tat ihr gut, sich um sich selbst zu kümmern, und sie fühlte sich gle ich besser, als sie sauber präsentabel war. Durch das Haus zog mittlerweile der Duft eines Bratens, der im Ofen schmorte, und da merkte sie erst, wie hungrig sie war.
    Ihre Theorie, dass Sauberkeit ein wunderbares Heilmittel war, wurde wieder einmal bestätigt. Als sie in den großen Saal zurückkam, standen Jacob und Toby Seite an Seite am Waschstand und schrubbten ihre Hände und die Gesichter. Toby blickte Rachel mit strahlenden Augen an.
    »Sunflower wird sich bald wieder erholen, Miss English. Sie hat nur einen kleinen Kratzer im Huf. Wir haben den Huf gesäubert und etwas Salbe auf die Wunde geschmiert. Jacob hat die Stute dann auf unsere beste Weide geführt, damit sie sich dort ausruhen und erholen kann.«
    Jacob lächelte nur verhalten, aber er legte seine große Hand auf die schmale Schulter des Jungen, als wollte er damit ohne Worte bestätigen, was Toby gesagt hatte. Aber es lag noch ein tieferer Sinn in dieser schlichten Geste - es war die Bestätigung dafür, dass Toby ein würdiges Mitglied der menschlichen Gesellschaft war, es war die Geste, die der Vater machte, wenn er dem Sohn seinen Segen gab — einen Segen, den Mike Houghton Toby nicht hatte geben können oder ihm einfach verweigert hatte.
    »Das ist ja wunderbar, Toby«, sagte Rachel und ließ ihren Blick von Jacobs Gesicht zu dem des Jungen gleiten. »Vielleicht wirst du eines Tages mal ein Tierdoktor sein.«
    Toby schüttelte energisch den Kopf. »Ich will später mal diese Kutschstation leiten wie Jacob.«
    »So schnell wie die Eisenbahn in den Westen vordringt, wird es bald keinen Bedarf mehr an Stationen wie dieser geben«, bemerkte Jacob, aber dadurch ließ Toby sich nicht weiter beirren.
    »Ich werde jedenfalls nicht mehr aus Springwater Weggehen«, erklärte der Junge. »Auch nicht, wenn mein Pa kommt und mich mit sich nehmen will.«
    Bei diesen Worten wechselten Rachel und Jacob erneut einen Blick. Sollte Mike Houghton tatsächlich eines Tages wieder auftauchen, um Toby mitzunehmen, würde ihn niemand daran hindern können - und das wussten sie beide. Die Tatsache, dass Houghton seinen Sohn vernachlässigt und wahrscheinlich geschlagen und misshandelt hatte, zählte in den Augen des Gesetzes kaum. Kinder hatten - wie Frauen oder Hunde - in dieser Zeit praktisch keine Rechte.
    Jacob drückte leicht die schmale Schulter des Jungen. »Ich denke, damit sollten wir uns erst dann beschäftigen, wenn es - falls überhaupt - jemals so weit
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