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Rachel

Rachel

Titel: Rachel
Autoren: Linda Lael Miller
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nicht lesen und schreiben lernen und wie eine Lady zu sprechen?«
    Das sehnsüchtige Verlangen in dem schmutzstarrenden Gesicht war deutlich zu erkennen und Rachel verspürte einen Stich im Herz. »Wozu sollte das gut sein?«, fragte das Kind. »Hier gibt es keine Bücher und zum Reden habe ich nur Granny.«
    Rachel deutete mit der Hand auf die bewaldeten Hügel, die von Tälern mit Flüssen durchzogen waren. »Dort draußen gibt es die ganze Welt zu entdecken, Christabel, und ein großer Teil davon ist wunderschön. Mit einer guten Schulausbildung würdest du weit kommen.«
    Wieder zeigte sich im Gesicht des Kindes, in ihrer ganzen Körperhaltung die verzweifelte Sehnsucht, mehr aus sich zu machen, mehr zu haben, als sie hatte. Aber schließlich zuckte sie doch nur die Schultern. »Und wer soll sich um Granny kümmern, wenn ich mich irgendwo in der Gegend herumtreibe und mich amüsiere?«
    Granny schwieg und senkte das Gewehr, wobei es ein scharfes, dumpfes Geräusch gab, als sie den Stutzen auf die hölzerne Veranda aufsetzte.
    Rachel atmete tief durch. »Bei allem gegebenem Respekt«, sagte sie mit fester Stimme, »aber deine Großmutter wird nicht ewig leben. Und selbst wenn du bis zum Ende deiner Tage hier in dieser Hütte leben wirst, gibt es genug Bücher, die dir Gesellschaft leisten können, damit du nicht alleine bist. Aber dazu musst du natürlich erst einmal lesen lernen - und dazu müsstest du in die Schule kommen.«
    »Wir brauchen keine Bücher«, grummelte Granny. »Wir sind bis jetzt auch ganz gut ohne welche zurechtkommen.«
    Christabel machte einen Schritt vorwärts. Wegen des Klumpfußes wirkte ihre Gangart ungeschickt. Das Kind war ein Bettnässer - das wurde Rachel sofort klar, als ihr der Uringeruch in die Nase stieg - und dieses Wissen bestärkte Rachel noch in dem Verlangen, dieses Kind unter ihre Fittiche zu nehmen. Von allen Kindern, die vielleicht zu ihr in die Schule kommen würden, brauchte dieses Mädchen - vielleicht mit Ausnahme von Toby Houghton - am meisten ihre Zuneigung und Hilfe.
    »Könnte ich wirklich lesen lernen?«, fragte Christabel ungläubig.
    »Die anderen Kinder würden dich auslachen«, sagte Granny, die nicht gerade eine Unterstützung war. »Und sie würden dir Schimpfworte hinterherrufen.«
    Rachel wurde zornig. »Niemand wird lachen, es sei denn, er hat Lust, für den Rest des Tages mit der Nase in der Ecke zu stehen. Und wer auch nur ein Schimpfwort sagt, kann sich gleich dazustellen.«
    Christabel hinkte einen weiteren Schritt vorwärts. »Ich habe aber kein anständiges Kleid zum Anziehen«, sagte sie traurig. »Und Schuhe habe ich auch nicht. Wenn der Winter kommt, wird es ein langer kalter Weg von hier bis Springwater sein.«
    Rachel hatte einen Meter Stoff aus Pennsylvania mitgebracht und sie nahm an, dass ihre Sonntagsschuhe Christabel einigermaßen passen würden. Sie würde sich mit Miss June zusamment un und gemeinsam würden sie einen Weg finden, das Mädchen in eine Wanne mit heißem Wasser zu stecken. Seife, kräftiges Schrubben und Haarekämmen würden Wunder bewirken. »Ich selbst werde dir ein Kleid nähen«, erklärte sie entschlossen und voller Optimismus, »und ich habe auch noch ein paar Schuhe für dich.«
    »Wir nehmen keine Almosen an«, sagte Granny stur. Ihre Augen blitzten und sie packte das Gewehr mit ihrer verknöcherten Hand fest er, als hätte sie größte Lust, Rachel ein Loch in den Kopf zu pusten.
    Christabel hinkte lan gsam auf Rachel zu. In dem mond förmigen Gesicht des Kindes spiegelte sich eine zögernde Hoffnung. »Das sind keine Almosen, Granny«, sagte das Mädchen, o hne sich zu der alten Frau umzudrehen oder stehen zu bleiben, aber Rachel hatte den Eindruck, dass es schmerzhaft sein musste, mit so einem verkrüppelten Fuß zu laufen. »Jedenfalls nicht, wenn ich dafür arbeite. Ich kann Böden wischen und Fenster putzen, Miss English, und kehren kann ich auch. Ich kann auch entlaufene Kühe einfangen, Maultiere satteln und Heu einholen. Es gibt kaum eine Arbeit, von der ich nicht weiß, wie man sie macht. Ich gebe zu, dass ich gerne in die Schule kommen würde, wenn es nur einen Weg dazu gibt.«
    Aus dieser Nähe war der Gestank, den das Kind verströmte, fast unerträglich, aber Rachel wich keinen Millimeter zurück, obwohl ihre Augen brannten. Sie legte eine Hand auf die Schulter des Mädchens und vertraute auf
    Gott, June McCaffrey und ihre eigenen Fähigkeiten, um aus Christabel einen Menschen zu machen, der sich von
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