Rachel
zugestimmt hatten, als Lehrerin nach Springwater zu kommen.« Er schwieg einen Moment und fügte dann spöttisch hinzu: »Aber vielleicht sind Sie ja gekommen, um uns vor unserem sündigen Leben und unserer Unwissenheit zu erretten.«
Rachel errötete - und bestimmt nicht wegen des Picknicks, das eine Überraschung für sie hätte sein sollen. Verlegen blickte sie sich um und vermied es dabei, Emma in die Augen zu sehen, obwohl sie den Blick des Kindes spürte, so wie man auch mit geschlossenen Augen einen Sonnenstrahl spürte. »Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll«, murmelte sie.
»Wie wäre es mit >Auf Wiedersehen^«, schlug Trey vor »Wir gehen hier nämlich unserer Art von Geschäften nach, falls Ihnen das entgangen sein sollte.« Er hob seinen Zeigefinger und wagte es - er wagte es -, ihr damit vor der Nase herum zu fuchteln. »Und noch etwas, Miss English, ich habe die Absicht, das Pferderennen zu gewinnen, denn es geht dabei für mich um viel Geld. Hüten Sie sich also davor, mir noch einmal in die Quere zu kommen, denn falls Sie es tun, werde ich verdammt ungemütlich werden.«
Rachel öffnete den Mund, schloss ihn aber sofort wieder, denn sie war ganz einfach sprachlos. Das war keine einfache Drohung, das war fast schon eine Kampfansage. Der aufgeblasene Kerl kann froh sein, dass ich ihm nicht den Finger abgebissen habe, dachte sie, während sie krampfhaft überlegte, wie sie sich einen guten Abgang verschaffen konnte. »Mein Pferd lahmt«, sagte sie und ihre Stimme klang bedauernd. »Ich muss gehen und mich um die Stute kümmern.«
Sie drehte sich mit der ganzen Würde, zu der sie noch fähig war, um und verließ mit hoch erhobenen Kopf den Brimestone Saloon. Erst draußen ließ sie die Maske fallen. In ihrem Kopf drehte sich alles, sie war voller Gefühle, die sie jedoch nicht genau benennen konnte.
Die Auseinandersetzung mit Mr. Trey Hargreaves war nicht gerade freundschaftlich verlaufen, aber dennoch fühlte sie sich seltsamerweise in einer Art Feierstimmung, wie sie es noch nie empfunden hatte. Gleichzeitig spürte sie ein dunkles, tiefes Verlangen, das ihr Herzschmerzen machte und ihr die Tränen in die Augen trieb. Sie hatte Lust, auf der Straße zu tanzen, aber der Wunsch sich auf den Boden zu werfen und sich die Augen aus dem Kopf zu weinen war ebenso stark.
Während sie im purpurfarbenen Zwielicht in Richtung der Station ging, wobei die arme Sunflower ihr lahmend folgte, war sie so in Gedanken versunken, dass sie ihre Umgebung kaum wahrnahm. Sie versuchte sich zu erinnern, ob Langdon jemals solche zwiespältigen Gefühle in ihr geweckt hatte, und kam zu dem Schluss, dass er das nicht getan hatte. Diese Situation war neu für sie, sie war so angsterregend wie die Begegnung mit einem Grizzlybär im Wald und so herrlich wie der Tanz mit einem Engel.
June saß neben dem Herd in ihrem Schaukelstuhl und hielt ihr Nähzeug im Schoß. Die Nadel in ihrer Hand blitzte silbrig, während sie eine Naht stichelte, aber als sie aufschaute und Rachel sah, die in der offenen Tür stand, ließ sie die Nadel sinken. »Gütiger Himmel«, sagte sie, »was ist denn mit Ihnen los?«
Jacob, der an einem geöffneten Fenster stand und seine Pfeife rauchte, betrachtete Rachel schweigend. Aber dieses nachdenkliche Schweigen war auf seine Art ebenso beredt, wie die Worte eines Dichters es gewesen wären.
Rachel erinnerte sich daran, dass die Eingangstür noch offen stand. Sie schloss sie mit einer Hand, damit nicht zu viele Fliegen ins Haus kamen. »Sunflower ist am Vorderhuf verletzt«, sagte sie zu dem Leiter der Station. Selbst in ihren Ohren klang ihre Stimme fremd und hilflos, so als hätte jemand anderes durch ihren Mund gesprochen. »Da war zerbrochenes Glas ... Ich fürchte, die Stute ist in eine Scherbe getreten, aber vielleicht hat sie sich auch an einem scharfkantigen Stein oder einem spitzen Dom verletzt. Jedenfalls lahmt sie.«
Jacob nickte, ging zum Kamin, wo er seine Pfeife ausklopfte und auf den Sims legte, und trat dann ins Freie, um nach der Stute zu sehen. Toby war auch schon da, denn Rachel hörte seine aufgeregt fröhliche Kinderstimme durch die geschlossene Tür hindurch.
»Ich glaube, ich habe Ihnen eine Frage gestellt, junge Lady«, sagte June freundlich und mit so viel Zärtlichkeit, dass Rachel der älteren Frau am liebsten um den Hals gefallen wäre und sich an ihrem mütterlichen Busen wie ein verwirrtes Kind ausgeweint hätte.
»Es ist etwas Schreckliches passiert«, sagte Rachel
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