Rachelust - Der sechste und letzte Fall für Nora und Tommy
versichere Ihnen, dass meine Kollegen und ich nicht ruhen werden, bis wir den Mord aufgeklärt haben.“
„Das sagen Sie bestimmt bei jedem Fall. Aber wie viele Morde haben Sie insgesamt aufklären können?“
„Unsere Quote liegt über dem Durchschnitt.“
„Wirklich? Na, ich werde mich überraschen lassen.“ Lars schüttelte Tommys Hand. Dann begleitete er ihn zurück zur Haustür.
„Eine Frage noch“, sagte Thomas auf dem Weg. „Sie haben nicht zufällig eine Vermutung, mit wem Ihre Freundin Sie betrogen haben könnte?“
„Wenn ich eine hätte, dann wäre ich diesem Kerl schon längst an die Gurgel gegangen. Das können Sie mir glauben.“ Lars öffnete die Tür.
Thomas trat nach draußen. „Was machen Sie eigentlich beruflich?“
„Ich bin Student.“
„Welches Fach?“
„Maschinenbau.“
„Läuft es gut?“
„Es geht.“
„Verstehe. Vielen Dank. Auf Wiedersehen.“
„Auf Wiedersehen.“
Während Tommy zu seinem Wagen ging, sah Lars ihm nachdenklich hinterher.
Seine Augen funkelten leicht.
4
Nora Feldt saß gedankenverloren auf einer Bank und starrte auf die Ostsee hinaus. Sie befand sich einige hundert Meter südwestlich vom Kap Arkona. Ein schmaler Sandstrand zierte den Küstenstreifen vor ihr. Auf dem Wasser konnte sie mehrere Boote und Schiffe sehen.
Während eine kühle Brise aufkam, faltete die Kommissarin ihre Hände und blickte vor sich auf den Boden. Sie konnte nicht glauben, dass sie tatsächlich an diesem Ort saß. Denn er bereitete ihr so viel Schmerz, dass sie es kaum noch ertragen konnte. Er marterte ihr Herz, quälte ihre Gedanken. Allerdings war es genau dieser Umstand, der sie wie ein Magnet angezogen hatte. Sie musste sich ihrer Vergangenheit stellen. Vielleicht konnte sie auf diese Weise alles besser verstehen und verkraften. Deshalb war sie hier. Nicht, um Urlaub zu machen. Nicht, um zu entspannen. Vielmehr wollte sie endlich ihre Dämonen besiegen. Sowohl in beruflicher als auch in privater Hinsicht.
In diesem Moment empfand sie jedoch ausschließlich Kummer. Sie hatte das Gefühl, dass ihre Kehle wie durch Geisterhand zusammengepresst wurde. Das Atmen fiel ihr immer schwerer. Ihre Arme fühlten sich taub an. Als läge eine unglaubliche Last auf ihr, konnte sie sich kaum noch bewegen. Wie angewurzelt hockte sie auf der Bank und ließ ihre Erinnerung in die Vergangenheit schweifen.
Vor zwei Jahren war sie mit ihrem ehemaligen Lebensgefährten Timo an genau diesem Strand gewesen. Hier hatten sie ihren ersten gemeinsamen Urlaub verbracht und sich um nichts gesorgt. Nora war nach langer Zeit zu neuem Leben erwacht. Allein Timos Nähe hatte schon ausgereicht, um sie wieder an eine glückliche Zukunft glauben zu lassen.
Doch dann sollte alles auf grauenvolle Weise enden.
Ich liebe dich so sehr, Timo. Niemals werde ich dich vergessen. Dir habe ich so viel zu verdanken. Das kann ich nie wieder gutmachen. Ich kann nur noch hoffen, dass es dir gut geht, wo immer du gerade bist.
Die Kommissarin hob ihren Kopf und blickte nach links auf eine Düne. Dort hatte ein Tourist vor zwei Jahren einige Fotos von Timo und ihr geschossen. Eines dieser Bilder stand eingerahmt auf ihrem Nachttisch. Sie würde es bis in alle Ewigkeit behalten. Es hatte einen unschätzbaren Wert für sie. Denn diese Erinnerung konnte ihr kein Mensch wegnehmen.
Ihr Augenmerk wanderte wieder zum Wasser. Sie beobachtete den Wellengang, konzentrierte sich auf das Rauschen des Meeres. Doch dann sah sie urplötzlich einige beunruhigende Bilder vor Augen: die Göttinger Uniklinik, das triste Krankenzimmer, Timos reglosen Körper. Sofort zuckte sie in sich zusammen. Ihre Muskeln verkrampften. Der Schmerz kehrte zurück.
Im vergangenen Jahr war Timo mit seinem Auto frontal gegen eine Wand gerast und nach einiger Zeit in der Uniklinik gestorben. Bei dem bloßen Gedanken daran begannen Noras Hände zu zittern. Eine Welle der Übelkeit überkam sie. Sie sah die einzelnen Szenen des Grauens deutlich vor Augen. Zwar wehrte sich ihr Gedächtnis gegen diese schrecklichen Momente, aber Nora wollte sich um jeden Preis mit ihnen auseinandersetzen. Sie musste es machen. Nur so konnte sie mit diesen Erlebnissen abschließen.
Schocktherapie.
Plötzlich horchte sie auf. Hinter ihr ertönten Schritte. Diese kamen schnell näher. Erschrocken drehte sie sich um und sah einen großen Mann auf sich zukommen.
„Guten Tag“, sagte er. „Ich wollte Sie nicht erschrecken.“
„Schon gut. Das haben Sie nicht“, log
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