Rachelust - Der sechste und letzte Fall für Nora und Tommy
der Zeit stattgefunden hätte.“ Dorm kratzte sich an der Unterlippe. „Ich frage mich aber, warum der Kerl sie ausgerechnet hier abgelegt hat. Der Friedhof legt zwar eine bestimmte Deutung nahe, doch wenn sich wirklich ein religiöser Antrieb hinter der Tat verbergen würde, dann wäre die Leiche nicht einfach unter die Hecke geschoben worden. Dann würde sie in der Mitte am Kreuz lehnen. Oder sie wäre sogar selbst gekreuzigt worden.“
„Du schaust zu viele Filme“, höhnte Tommy. „Aber ich glaube, dass du im Großen und Ganzen recht hast. Das wirkt nicht wie ein Ritualmord oder etwas dergleichen. Vielleicht spielt die Religion eine Rolle. Doch sie wird nicht der Hauptgrund für den Mord sein. Es steckt etwas anderes dahinter. Sonst hätte der Mörder den Bezug zur Religion tatsächlich deutlicher hervorgehoben.“ Er hielt inne und hob die Augenbrauen. „Falls es sich überhaupt um einen Mörder handelt. Es könnte auch eine Frau hinter der Tat stecken.“
„Diese Frau müsste aber sehr kräftig sein. Immerhin ist es nicht leicht, ein Mordopfer mehrere Meter weit zu tragen.“
„Vielleicht wurde das Opfer nicht getragen, sondern gezogen.“
„Es gibt keine Schleifspuren auf dem Kies.“
„Die hätte die Mörderin problemlos wegharken können.“
„Auch wieder wahr.“ Dorm blähte die Wangen auf.
„Wir warten in dieser Hinsicht ab, was die SpuSi noch herausfindet“, beschloss Tommy. „Ich höre mir jetzt erst einmal an, was diese Frida Truhe zu berichten hat. Könntest du dich in der Zwischenzeit erneut um die Schaulustigen kümmern, Dorm? Womöglich hat doch jemand etwas Wichtiges gesehen, bringt es aber nicht mit dem Mord in Verbindung. Du musst nur die richtigen Fragen stellen.“
„Wird erledigt. Mal sehen, was ich aus denen noch herausbekommen kann. Aber erwarte keine Wunder.“
„Du machst das schon.“ Thomas nickte seinem Kollegen zu und begab sich zurück zum Absperrband. Als Vielbusch ihn kommen sah, nickte er ihm beiläufig zu. Kurz darauf wandte er sich wieder an Frida: „Sie haben also niemanden hier gesehen, als Sie die Leiche fanden?“
Die junge Frau schüttelte den Kopf. Sie war höchstens 25 Jahre alt. Ihre Haare wiesen fünf verschiedene Rottöne auf. Die Jeans war stellenweise zerrissen. „Nein, ich habe keine Person gesehen. Als ich hier um kurz nach sieben ankam, war lediglich ein älterer Mann dort vorne beim Brunnen. Er hat Wasser in eine Gießkanne gefüllt und damit die Blumen auf einem der hinteren Beete gegossen. Ich habe ihn nicht weiter beachtet. Als ich dann zum Grab meiner Großeltern gegangen bin, habe ich die Leiche gesehen. Es war schrecklich. Es wirkte so unecht. Alles sah nach einer Kulisse aus. Aber die Frau rührte sich einfach nicht. Also bin ich zu ihr gegangen und habe aus der Nähe das eingeritzte X auf der Wange gesehen. Da war mir klar, dass sie ermordet wurde. Ich nahm mein Handy und rief die Notrufnummer an.“
Vielbusch notierte sich diese Aussage. „Haben Sie etwas in der Nähe der Leiche angefasst?“
„Nein.“
„Kennen Sie das Opfer?“
„Nein, ich habe die Frau nie zuvor gesehen.“
„Wie oft kommen Sie hierher, um das Grab Ihrer Großeltern zu pflegen?“
„Nicht sehr oft. Ein paar Mal im Jahr. Wieso?“
„Demnach ist es reiner Zufall, dass Sie die Leiche gefunden haben.“
„Davon gehe ich aus. Weshalb sollte jemand gewollt haben, dass ausgerechnet ich sie finde? Ich bin eine einfache Angestellte beim Supermarkt. Ich habe keinen Freund, keine Kinder, nicht einmal ein Haustier. Mit mir hat das alles nichts zu tun. Ich war nur zur falschen Zeit hier.“
„Weiß denn jemand, dass Sie herkommen wollten? Zu dieser Uhrzeit?“
Sie schüttelte den Kopf. „Es war ein spontaner Einfall. Daher brauchen Sie mir erst gar keine weiteren Fragen zu stellen. Ich kann Ihnen nicht helfen.“
„Es sieht wohl leider so aus. Allerdings brauche ich noch einige Angaben zu Ihrer Person. Zudem muss ich Ihre Adresse und Telefonnummer haben, um Sie jederzeit erreichen zu können.“
Nachdem die junge Frau alle Angaben gemacht hatte, sagte Vielbusch: „Okay. Danke für Ihre Aussage, Frau Truhe. Das wäre dann fürs Erste alles. Sie können gehen.“
„Gott sei Dank. Ich kann nämlich keine Minute länger hier bleiben. Das Ganze muss ich erst einmal verdauen. Haben Sie schon einmal eine Leiche gefunden? Das ist richtig heftig. Dieser Anblick wird mich bestimmt lange verfolgen.“ Frida drehte sich um und griff in ihre Hosentasche.
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