Rachelust - Der sechste und letzte Fall für Nora und Tommy
Ohne die Hand wieder herauszuziehen, ging sie zum Ausgang des Friedhofs.
Tommy blickte ihr kurz nach, konzentrierte sich dann aber auf die nähere Umgebung. Er ließ den Blick über die vielen Ruhestätten wandern. Daraufhin nahm er die beiden Wasserbrunnen auf dem Mittelweg in Augenschein. Anschließend fixierte er das Kreuz im Zentrum.
Steht dieses Symbol in diesem Fall für Tod oder für Hoffnung?
Während ihm diese Frage durch den Kopf schoss, betrat ein erster Journalist den Friedhof. Offenbar hatte ihn einer der Schaulustigen per Handy informiert. Anders hätte er von dem Mord noch nicht erfahren können.
Das technische Zeitalter. Ist es nicht herrlich? , dachte Tommy sarkastisch. Die oberste Schlagzeile der morgigen Zeitungsausgaben sah er schon vor Augen: Ermordete Polizistin auf Friedhof entdeckt!
Die plakative Berichterstattung der Reporter sollte allerdings seine kleinste Sorge bleiben. Zwar würde sie die Besorgnis der Bevölkerung schüren, doch Tommy spürte, dass ein viel größeres Unheil in der Luft lag. Ein Unheil, das ungeahnte Folgen nach sich ziehen würde. Ein Unheil, das er nicht kontrollieren konnte.
Der einsetzende Regen untermalte diese Befürchtung.
3
Fünf Minuten später rief Thomas in der Zentrale an, um Judith Breims Adresse in Erfahrung zu bringen und sich über mögliche Angehörige zu informieren. Er erfuhr, dass keine Familienmitglieder in der Stadt wohnten, die Polizistin aber mit ihrem Freund Lars Brenner in der Bebelstraße lebte. Diese lag nur ein paar Querstraßen vom Friedhof entfernt.
Als Tommy sie erreichte, stieg er aus seinem Wagen und schlug die Tür hinter sich zu. Dann ging er über einen gepflasterten Weg auf die Hausnummer 26c zu. Nachdem er geklingelt hatte, wartete er eine ganze Weile. Schließlich öffnete ihm ein Mann, der ein rotes T-Shirt zu einer braunen Stoffhose trug. Er war zwar nur eins siebzig groß, wirkte aber ziemlich kräftig.
„Guten Tag. Mein Name ist Korn. Ich bin von der Kripo.“ Tommy zeigte seinen Ausweis vor. „Sind Sie Lars Brenner?“
Der 22-Jährige nickte. „Ja, der bin ich. Was gibt es?“
„Ich muss Ihnen leider eine schlimme Nachricht überbringen. Darf ich eintreten?“
„Geht es um Judith?“
„Ja. Sie sollten sich lieber setzen.“
Lars ahnte sofort, worauf dieses Gespräch hinauslaufen würde. „Mein Gott, es ist passiert. Sie ist tot, richtig? Wurde sie ermordet?“
„Ich möchte diese Angelegenheit lieber drinnen besprechen.“
„Ich wusste, dass es eines Tages passieren würde“, flüsterte Lars vor sich hin. „Na los, kommen Sie schon herein. Sagen Sie mir genau, was passiert ist.“
Thomas trat an dem Mann vorbei und schritt durch einen Flur ins Wohnzimmer. Lars folgte ihm und bot ihm einen Platz an. Der Kommissar setzte sich dankend auf die Couch. Dann sah er sich im Zimmer um. Es war hell und wirkte freundlich. An den Wänden hingen Gemälde aus unterschiedlichen Epochen. Ein CD-Schrank stand schräg hinter dem Sofa. Davor befand sich ein Beistelltisch, auf dem diverse Hefte lagen.
„Also?“, drängte Lars. „War es Mord?“
„Ja, Ihre Freundin wurde tatsächlich ermordet. Jemand hat sie erschlagen. Zumindest sieht es danach aus. Es tut mir sehr leid.“
„Das musste so kommen. Judith hat ihre Grenzen nicht gekannt. Sie wollte immer zu viel. Irgendwann musste sie den Preis dafür zahlen. Ich hätte allerdings nicht gedacht, dass es so schnell sein würde.“
„Wie meinen Sie das?“
„Judith war eine Draufgängerin. Ihr Ehrgeiz hat sie blind gemacht für Gefahren. Bestimmt hat sie eine heikle Situation unterschätzt. Ist es so gewesen?“
„Das wissen wir noch nicht. Ich bin hier, um der Sache auf den Grund zu gehen.“
„Aber ich bin Ihnen gewiss keine Hilfe. In letzter Zeit sind Judith und ich nämlich nicht gut miteinander ausgekommen. Es waren schwierige Wochen für uns. Wir sind uns häufig aus dem Weg gegangen. Falls Sie sich also Hinweise von mir erhoffen, dann muss ich Sie enttäuschen. Ich weiß kaum etwas von dem, was Judith in den vergangenen Tagen gemacht hat.“
„Es wäre aber schon hilfreich, wenn Sie mir einige grundlegende Auskünfte geben könnten.“
„Zum Beispiel?“
„Da ich Ihre Freundin nicht gekannt habe, müsste ich etwas über sie persönlich wissen. Über ihre Lebensart. Über ihr Umfeld.“
„Das verstehe ich nicht. Judith hat so viele Kolleginnen und Kollegen. Wieso ermittelt nicht jemand, der sie gut kennt? Das würde eine Menge Zeit
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