Rachenacht: Ein Alex-Delaware-Roman (German Edition)

seiner langen, dünnen Zigarren an, blies den beißenden Rauch durch das Fahrerfenster und griff zum Telefon, um die neuesten Infos abzurufen. Petra war die Erste.
    Die Beamten, die Lemuel Eccles festgenommen hatten, meinten, dass Loyal Steward tatsächlich James Harrie gewesen sein könnte, aber ganz genau könnten sie es nicht sagen, weil sie sich auf den Angreifer und nicht auf das Opfer konzentriert hätten.
    Raul Biro hatte Mick Ostrovine dazu gebracht, mit der Wahrheit rauszurücken: Ja, »Dr. Shacker« habe Versicherungsfälle ins North Hollywood Day Hospital überwiesen. Nein, Schmiergeld habe er dafür nicht bekommen, er sei nur einer von vielen gewesen, die ihre Patienten dorthin schickten.
    Die Well-Start-Versicherung reagierte nicht mehr auf Anrufe.
    Biro sagte: »Es muss Schmiergeldzahlungen gegeben haben. Ich habe herausgefunden, wem der Laden gehört, und zwar einem Russen-Clan, der in Arcadia sitzt und bei Medi-Cal Unsummen abrechnet. Aber solange sich bei unserem Fall nichts in Richtung organisierte Kriminalität abzeichnet, lohnt es sich nicht, da weiter zu bohren.«
    »Gott behüte«, sagte Milo.
    »Das dachte ich mir auch. Ich wüsste nicht, wohin uns das führen sollte.«
    »Lad deine Freundin zum Abendessen ein.«
    »Ich hab keine«, sagte Biro. »Nicht diesen Monat.«
    »Dann such dir eine«, sagte Milo. »Das Essen geht auf mich.«
    »Warum?«
    »Weil du deine Arbeit machst, ohne rumzuzicken.«
    »Aber hier hab ich nicht allzu viel beigetragen, Lieutenant.«
    »Dann lass eben anschreiben.«
    Biro lachte und legte auf. Als Nächstes rief Milo in der Gerichtsmedizin an. Dr. Jernigan war nicht da, doch sie hatte ihren Mitarbeiter angewiesen, Milo über die Ergebnisse von Harries Autopsie in Kenntnis zu setzen. Harries Herz, Lunge und Hirn seien von fünf Kugeln aus der Dienstwaffe des stellvertretenden Sheriffs Aaron Sanchez durchlöchert worden, von denen jede einzelne letal gewesen wäre. Ein Ausweis sei nicht gefunden worden, doch die Fingerabdrücke des Toten passten zu denen von Harrie von vor rund fünfundzwanzig Jahren, als er in V-State als Pförtner angefangen habe.
    Das menschliche Blut im Kofferraum des Acura stamme von drei verschiedenen Personen, zwei mit Gruppe A, eine mit Gruppe Null. Die DNA -Analyse würde noch eine Weile dauern, aber ein Geschlechtstest habe ergeben, dass es sich um weibliche Personen handelte.
    Milo legte auf und betrachtete den zugewucherten Acker. »Ein Tunnel wäre echt nett gewesen. Als du hier warst, hast du da jemals davon gehört?«
    »Nein«, sagte ich.
    »Wieso bist du überhaupt hier gelandet?«
    »Um was zu lernen.«
    »Über Kinder wie Huggler?«
    »Die Patienten, die ich gesehen habe, waren nicht gefährlich, nicht mal ansatzweise.«
    »Sind sie gesund geworden?«
    »Nun … wir haben ihnen das Leben erleichtert.«
    Er machte: »Hm-hm.« Seine Augen schlossen sich, er streckte seine langen Beine aus und legte den Kopf an die Rückenlehne. Eine ganze Weile rührte er sich nicht. Hätte er nicht regelmäßig Zigarrenrauch ausgestoßen, hätte man denken können, er schliefe.
    Ich dachte an einen ungewöhnlichen Jungen in einem eigens für ihn eingerichteten Zimmer.
    Milo schüttelte sich wie ein nasser Hund und drückte die Zigarre in dem Aschenbecher aus, den ihm die Stadt offiziell zu nutzen verbot. »Lass uns ein bisschen in Camarillo herumfahren, Lagerbriefkästen, Schmuddelmotels und andere potenzielle Unterschlupfe abklappern. Danach feiern wir mit einem netten Fischgericht bei Andrea in Ventura, dass es nichts zu feiern gibt. Schon mal bei Andrea gewesen?«
    »Robin und ich waren letztes Jahr mal zum Walbeobachten dort, es ist gleich neben der Ablegestelle.«
    »Rick und ich waren letztes Jahr auch wegen der Wale dort. Das Wal-Ähnlichste, was wir gesehen haben, war mein Spiegelbild.«
    Weil er von mir erwartete, dass ich grinste, grinste ich.
    Er spuckte Tabakkrümel aus dem Fenster.
    In dem Moment, als er den Motor anließ, bewegte sich etwas.

40
    Eine verwischte Regung.
    Ein flackernder Punkt irgendwo jenseits der Mitte des Feldes. Vor der Eibenhecke, nur war auf die Entfernung nicht zu erkennen, wie weit davon entfernt.
    Wir sahen zu, wie die Gestalt über niederes Gras sprang, um dann wieder hinter höheren Pflanzen zu verschwinden.
    Auf und ab und rein und raus. Die Sonne fing sich in den Konturen, malte sie leuchtend golden.
    Das Leuchten manifestierte sich zu einer goldenen Gestalt. Ein Lebewesen. Ein Tier.
    Für einen Koyoten zu