Rachenacht: Ein Alex-Delaware-Roman (German Edition)
es verlässt, wird dies vermerkt. Wenn die Tunnel noch offen wären, könnten Sie vielleicht sogar recht haben, aber die gibt es ja nicht mehr.«
»Welche Tunnel?«
»Ha, wusste ich doch, dass ich Sie damit kriege«, sagte Borchard schmunzelnd. »Aber ist nur ein Witz, glauben Sie mir, da ist nichts.«
»Keine Tunnel.«
»Nicht mehr, außerdem sind sie mit Beton ausgegossen.«
»Keine Tunnel, aber sie sind mit Beton ausgegossen.«
»Sie wissen schon, was ich meine, man kann nicht mehr rein.«
Milo sah sich fragend zu mir um. Ich schüttelte den Kopf.
Borchard sagte: »Früher waren das unterirdische Verbindungsgänge zwischen den Klinikgebäuden. Wahrscheinlich Versorgungsschächte.« Er lachte lauter. »Vielleicht haben sie auch die Bekloppten da runtergejagt, zum Training oder als Bestrafung, was weiß ich. Jedenfalls, als das Gelände verkauft wurde, hat das County die Löcher mit Beton ausgießen lassen, wegen der Erdbeben. Wollen Sie’s mal sehen?«
»Warum nicht?«, sagte Milo beiläufig.
»Zusatzattraktionen gibt es aber nur gegen Aufpreis.« Lachend trat er das Gaspedal des Golfcarts durch, machte eine flinke Kehrtwendung und holperte mit knapp zehn km/h die Straße entlang. Wenig später hielt er an einer Seitenstraße, die zu einer Ansammlung von Häuschen führte. Sea Wave Road. Er stieg aus, winkte uns zu sich und ging in die Hocke, um ein paar Büsche zu teilen. Versenkt in den erdigen Boden, wurde eine Metallscheibe mit etwa zwei Metern Durchmesser sichtbar. Braun lackiert, ohne Aufschrift, ein überdimensionaler Gullideckel mit zwei Metallösen.
»Schauen Sie, das ist cool.« Borchard hakte einen Finger in eine Öse und versuchte den Deckel anzuheben, der sich aber keinen Millimeter rührte. Er zog mit Kraft. »Klemmt wahrscheinlich.«
»Brauchen Sie Hilfe?«, fragte Milo.
»Nein, nein.« Borchard versuchte es mit zwei Händen und lief dabei rot an. Der Deckel hob sich ein paar Zentimeter, Borchard ließ los, und ein pneumatischer Mechanismus sprang an. Der Deckel klappte auf, bis er senkrecht stand.
Darunter war Beton. Borchard stellte sich darauf und hüpfte wie ein Kind auf einem Trampolin. »Massiv, durch und durch. Beton und Stahl, extra stark für das große Loch.«
»Wie viele von solchen Öffnungen gibt es hier noch, Rudy?«
»Wer weiß? Die meisten sind überbaut, da stehen Wohnhäuser drauf. Zu finden sind sie nur, solange sie frei in der Landschaft liegen. Ich habe vier davon entdeckt, und, glauben Sie mir, die waren alle fest zu, so wie diese hier.« Er hüpfte noch zweimal. »Ein Bekloppter, der sich durch einen Tunnel schleicht? Das wäre ein guter Film. Leider sieht die Wirklichkeit anders aus. Sie wollen doch nicht ernsthaft die rückwärtige Einfriedung sehen?«
Milo zuckte die Achseln. »Was soll ich sagen, Rudy?«
»Ich wusste, dass das kommen würde.«
Wir töfftöfften die Sea Bird Lane entlang, bogen in den Sea Star Drive ein und erreichten schließlich das hintere Ende des Geländes. Der Versorgungsweg war ein einspuriger Asphaltstreifen, der durch ein hohes Maschendrahttor führte. Am rechten Torpfosten war eine Überwachungskamera befestigt. Durch das Drahtgitter konnte man ein Stück blauen Himmel, ein braunes Feld und malvenfarbene Berge erkennen, doch im Großen und Ganzen bestand das Panorama aus Himmel und einer mindestens sieben Meter hohen Eibenhecke. Die Sträucher standen dicht an dicht zu beiden Seiten des Zaunes und bildeten eine undurchdringliche grüne Wand.
Ich reckte mich nach allen Richtungen, um daran vorbeizuspähen. Borchard wendete kurzerhand das Gefährt und fuhr parallel zur Hecke weiter, am südlichen Rand des Geländes entlang. Wir fuhren mehrere Minuten, bis sich der Weg an einer Dreifachgabelung teilte.
»Gut so? Zufrieden?«
Milo sagte: »Wohin führen diese Straßen?«
»Das sind keine richtigen Straßen, das sind nur Zufahrten. Diese hier führt zum Clubhaus, diese zum Freizeitzentrum – vor allem wegen der Handtücher vom Reinigungsdienst – und diese zum La Mer, das ist das elegante Restaurant, das nur abends geöffnet ist, und zum Café Seabird, das gleich nebenan liegt, täglich drei Gerichte anbietet und außerdem eine Cafeteria mit Snacks hat … ach, was soll’s, kommen Sie, ich zeig’s Ihnen.«
Drei Laderampen, alle verriegelt, und kein Lkw weit und breit. Entgegen Borchards Versicherung, dass der Bereich ständig unter Beobachtung stehe, war keine Menschenseele zu sehen.
»Ein ruhiger Tag«, sagte Milo.
»Hier
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