Rachenacht: Ein Alex-Delaware-Roman (German Edition)
zwanzig Meter vor der Eibenhecke, ein Fleck nackter Erde. Glatt, braun, sauber. Genauso geleckt wie Marlin Quiggs Tatort.
Als wir auf die Lichtung traten, sahen wir die Pfotenabdrücke zweier Tiere. Milo ging in die Knie und deutete auf eine Stelle links davon. Mehrere Fußspuren, von den Pfoten jedoch weitgehend verwischt.
Ich erkannte die Konturen eines Absatzes, die bumerangförmige Spitze einer Schuhsohle, Füße, die Richtung Straße zeigten. Jemand war von hier weggegangen.
Die Spur der Hunde endete an einem Loch im Boden, das keineswegs unregelmäßig, sondern kreisrund war. Etwa zwei Meter im Durchmesser und mit verrostetem Eisen eingefasst.
Ein offener Schlund, bündig mit dem Boden abschließend. Durch das leicht abfallende Feld und die hohe Bewachsung musste man schon sehr nahe kommen, um es überhaupt zu sehen.
Ein Tunneleingang wie der, den uns Borchard gezeigt hatte. Aber statt mit einem pneumatischen Deckel verschlossen zu sein, stand dieser hier weit offen.
Milo winkte mich zurück und schlich mit gezogener Waffe auf die Öffnung zu.
Seine Pistolenhand erstarrte.
Louies Kopf erschien in der Öffnung. Er schleckte sich über die Nase und grinste treuherzig, ohne sich von Milos Glock irritieren zu lassen.
Milo winkte ihn zu sich, und Louie sprang mit wedelndem Schwanz heraus. Er tappte zu Milo und ließ sich in demonstrativer Demut auf den Rücken fallen.
Mit der freien Hand rieb Milo Louie den Bauch. Louies Augen schlossen sich genießerisch.
Kein Intelligenzbolzen, aber man sah, dass er früher mal ein hübscher Kerl gewesen sein musste. Heute war sein Fell räudig und fleckig grau.
Milo machte Louie ein Zeichen, Sitz zu machen. Er gehorchte.
Milo schlich sich zu der Öffnung zurück.
Aus dem Innern drang ein Geräusch herauf, rasselndes Keuchen, akustisch verstärkt durch den unterirdischen Tunnel.
Louies stehendes Ohr richtete sich auf, aber er blieb sitzen.
Schweres Atmen. Kratzen.
Ned, der Vorsteher, steckte den Kopf heraus.
Er musterte Milo. Mich. Louie.
Louies Haltung muss seinen Kumpel schließlich überzeugt haben. Der alte Hund sank in sich zusammen und legte sein Kinn auf der Kante des Lochs ab.
Milo winkte mich zu sich, drückte mir seinen Autoschlüssel in die Hand und schickte mich mit einem Auftrag los.
Der Mann, der das Artischockenfeld bewachte, hatte sich nicht vom Fleck bewegt. Ich hielt zehn Schritte vor ihm, ehe ich zu seinem Rücken sagte: »Entschuldigen Sie, bitte.«
Er drehte sich um, als hätte er mich erwartet, und lupfte seinen breitkrempigen Hut.
Die Limoflasche hielt er immer noch in der Hand, doch inzwischen war sie leer. Das Sandwich in seiner Brusttasche schien dagegen unberührt. Ich zeigte ihm einen Zwanzigdollarschein und deutete auf das Brot.
Seine Brauen hoben sich. »¿Veniste para esto?«
»Sí.«
Er reichte mir das Sandwich.
»Gracias.« Ich versuchte, ihm den Zwanziger in die Hand zu drücken. Er schüttelte den Kopf.
Ich sagte: » Por favor «, und steckte den Schein in seine Tasche.
Er zuckte die Achseln und wandte sich wieder der Bewachung der Artischocken zu.
Mit Hilfe des Sandwichs lockte Milo beide Hunde vom Tunneleingang weg. Er nahm Louie, während ich Ned um den Hals fasste. Ihn Haut und Knochen zu nennen wäre eine Übertreibung. Ned hatte früher wahrscheinlich einmal knapp fünfunddreißig Kilo gewogen, heute brachte er maximal noch die Hälfte auf die Waage. Ich hob ihn vorsichtig hoch. Er fühlte sich an wie ein Sack Zweige. Als ich ihn zum Auto trug, schwang sein Kopf zu mir herum, und ich sah, dass eines seiner Augen nur noch ein graublauer Film über einer eingesunkenen Höhle war.
Ich sagte: »Du machst das toll, Kumpel.«
Stöhnend fuhr er mir mit seiner trockenen, stinkenden Zunge über das Gesicht.
Milo konnte Louie mit leichtem Fingerdruck hinter den Ohren lenken. Wir bugsierten beide Tiere auf die Rückbank seines Wagens und öffneten die Fenster einen Spaltbreit, damit sie Luft bekamen. Das Sandwich war mickrig und bestand aus zwei Scheiben Weißbrot mit dünnem Wurstbelag. Aber die Hunde beklagten sich nicht, als Milo kleine Stücke abriss und sie abwechselnd fütterte.
Louie kaute recht gut, aber der Vorsteher hatte nicht mehr viele Zähne und musste alles in einem runterwürgen. Er war nicht kastriert, doch weit über das Alter hinaus, in dem das Testosteron sich noch bemerkbar macht.
Wir gaben ihnen Wasser aus den Flaschen, die wir für uns gekauft hatten, und achteten darauf, dass sie langsam
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