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Rachenacht: Ein Alex-Delaware-Roman (German Edition)

Rachenacht: Ein Alex-Delaware-Roman (German Edition)

Titel: Rachenacht: Ein Alex-Delaware-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Anfragen bearbeitet.«
    »War sie Krankenschwester?«
    »Sie hatte eine zweijährige Ausbildung zur Sekretärin absolviert und bis dahin Bürotätigkeiten ausgeübt, allerdings nicht im medizinischen Bereich.«
    »Und damit war sie qualifiziert, zu entscheiden, wer zu welchem Arzt gehen darf und wer nicht?«
    »Wer zu einer Krankenschwester gehen darf, die den Fall näher prüft«, präzisierte er. »Sie war eine sogenannte Vor prüferin. Man nennt das diagnosespezifisches Nutzungsmanagement, und ja, es ist unglaublich. Vita hat ihre Arbeitsstelle als ein riesiges Callcenter beschrieben und behauptet, sie habe vorgefertigte Texte aufsagen müssen. Für bestimmte Krankheitsbilder habe sie rezeptfreie Medikamente empfehlen, andere habe sie vollständig ignorieren sollen. Sie bekam eine Liste mit Vorgaben, wann sie die Anfragen beantworten sollte – mal nach einer Woche, mal nach einem Monat. Akute Fälle wurden an nahe gelegene Ambulanzen verwiesen, Anrufer mit schwerwiegenden Diagnosen wurden vertröstet, während sie vorgab, die nächste verfügbare Krankenschwester ausfindig zu machen.«
    »Telemarketing mal umgekehrt«, bemerkte ich. »Benutzen Sie auf keinen Fall unser Produkt.«
    Shacker sagte: »Genau darauf läuft es hinaus. Nur dass Vita diesen Job liebte. Sie fand es großartig, all den ›Weicheiern‹ und ›Hypochondern‹ zu zeigen, wo es langgeht.«
    Ich sagte: »Über ihre eigenen posttraumatischen Symptome dachte sie wohl anders.«
    Er lächelte. »Was möchten Sie noch wissen?«
    »Worin bestand das Mobbing?«
    »Körperliche Übergriffe hat es wohl nicht gegeben, aber Spott und Bosheiten von Seiten einiger Kollegen. Vita sagte, sie habe sich wiederholt bei ihren Vorgesetzten beschwert, sei aber nicht ernstgenommen worden. Sie hat die Firma auf fünf Millionen Dollar verklagt.«
    »Ganz schön kostspielige Streiche. Welche Symptome zeigte sie?«
    »Konzentrationsschwäche, Schlaflosigkeit, Appetitverlust, Magenprobleme, dazu unspezifische schmerzhafte Beschwerden. Alles sehr diffus und durch eine medizinische Untersuchung schwer nachweisbar, andererseits aber auch kaum zu widerlegen. Da die mutmaßliche Ursache ein seelisches Trauma war, wollte die Versicherung ihres Arbeitgebers ein offizielles Gutachten über ihren psychischen Zustand.«
    »Was haben Sie ihnen gesagt?«
    »Dass ihre Behauptungen weder zu bestätigen noch zu widerlegen seien und dass sie sich im sozialen Umgang aggressiv und böswillig verhält. Wenn man mich darum gebeten hätte, hätte ich wahrscheinlich eine passende Diagnose im Handbuch Psychischer Störungen gefunden, doch ich gehöre nicht zu der Sorte Therapeuten, die schlechtes Benehmen für eine Krankheit halten.«
    »Inwiefern benahm sich Vita schlecht?«
    Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Darf ich Ihnen etwas verraten, Alex, ganz im Vertrauen? Bitte, ich möchte nicht, dass das in irgendeinem offiziellen Protokoll landet.«
    »Absolut.«
    »Danke.« Er nagte an seiner Unterlippe und spielte mit einem seiner Ärmel. »Vita war wahrscheinlich der unangenehmste Mensch, dem ich je begegnet bin. Ich weiß, wir sollen objektiv bleiben, aber seien wir ehrlich, das geht gar nicht. Es war alles andere als hilfreich, dass sie überhaupt keine Lust hatte zu kooperieren, und unseren Berufsstand ganz offensichtlich verachtete. Die meisten Sitzungen nutzte sie ausschließlich dazu, sich zu beschweren, dass ich ihre Zeit vergeude. Weil jeder mit einem Minimum an Verstand sehen könne, dass sie schwer geschädigt sei. Am Ende beschimpfte sie mich gar als Quacksalber. Und jetzt erzählen Sie mir, sie sei ermordet worden. Gab es Anzeichen von Raserei? Ich kann mir gut vorstellen, dass sie jemanden zur Weißglut bringen konnte.«
    »Auch ich unterliege einer gewissen Schweigepflicht, Bern.«
    »Verstehe … nun gut. Das wäre dann alles, was ich Ihnen dazu sagen kann.«
    »Könnten wir noch einmal auf die Klage zurückkommen? Wie sahen denn die Bosheiten und der Spott der Kollegen aus, die sie erlebt haben will?«
    »Man hat ihr die Schreibtischschublade zugeklebt, ihr Headset versteckt, ihr das Frühstück geklaut. Sie behauptete, gehört zu haben, wie Kollegen sie als ›Schreckschraube‹ und ›alte Hexe‹ bezeichneten.«
    »Sie behauptete«, sagte ich. »Sie denken, sie hat übertrieben.«
    »Ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass sie unbeliebt war, aber ich konnte mich nur auf ihre eigenen Aussagen stützen. Die Frage, die sich für mich stellte, war, inwieweit hat sie

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