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Rachenacht: Ein Alex-Delaware-Roman (German Edition)

Rachenacht: Ein Alex-Delaware-Roman (German Edition)

Titel: Rachenacht: Ein Alex-Delaware-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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verrät zwar, dass sie eine gestandene Alkoholikerin war, aber sie dürfte trotzdem ziemlich eingeschränkt gewesen sein. Es war also wahrscheinlich nicht nötig, sie zusätzlich zu sedieren.«
    »Besoffen«, sagte er.
    »Voll wie eine Strandhaubitze.«
    »Ihre Leber«, sagte er. »Hast du eine Autopsie gemacht?«
    »Noch nicht, aber dank deines Killers konnte ich einige Organe bereits in Augenschein nehmen, nachdem wir das gestockte Blut entfernt hatten. Meiner Ansicht nach übrigens alles komplett vorhanden. Soll heißen, euer Täter hat peinlich genau darauf geachtet, nichts zu zerschnipseln.«
    »Jemand mit medizinischer Ausbildung?«
    »Kann ich nicht ausschließen, aber im Grunde braucht man gar keine ausgefeilten Kenntnisse.«
    »Sondern?«
    »Die körperliche Kraft und das Selbstvertrauen, mit einem richtig scharfen Messer zwei große Schnitte zu machen, und einen Magen, der nicht rebelliert, wenn es an die Eingeweide geht. Ein Metzger könnte es tun. Ein Jäger könnte es tun. Jeder mit einer abartigen Fantasie und dem entsprechenden Wissen. Was man sich im Internet besorgen kann, wenn man will. Jedenfalls musste ich die Leber nicht sezieren, um zu sehen, dass sie hochgradig zirrhotisch war. Das Ding war zum Großteil verfettet und gräulich verfärbt, alles andere als ein schöner Anblick. Aber wie gesagt, selbst für eine Säuferin sind 2,6 Promille genug, um Urteilsvermögen, Reaktionszeit, Koordination und Kraft erheblich einzuschränken. Sie zu überwältigen dürfte ein Kinderspiel gewesen sein. Sprich Dr. Delaware darauf an, wenn du ihn das nächste Mal siehst. Er kann dir bestimmt ein paar Verhaltensparameter nennen.«
    Ich sagte: »Hier bin ich, Clarice.«
    »Oh, hi. Stimmst du mir zu?«
    »Absolut.«
    »Super«, sagte sie. »Ich liebe perfekte Harmonie. Milo, ich tue mein Bestes, um die Autopsie bis morgen fertig zu haben. Ich selbst werde unterwegs sein, das heißt, einer meiner Leute wird sich darum kümmern, aber ich werde das Ganze auf jeden Fall im Auge behalten.«
    »Danke.«
    »Allerdings würde ich mir davon keine bahnbrechenden Erkenntnisse erwarten. Sie ist am Genickbruch gestorben und war längst tot, als er sie aufgeschlitzt hat.«
    »Wie lange ist längst tot?«
    »Lange genug, damit das Blut stocken konnte, also Minuten, keine Stunden. Ich stelle mir vor, wie dieser Widerling dasitzt und wartet – das hat für ihn bestimmt einen Großteil des Kicks ausgemacht. Was meinst du, Alex?«
    »Klingt logisch.«
    »Oh, wenn meine Teenager das hören könnten. Mommy hat auch mal recht. Tschüs, Jungs.«

10
    Zwei Tage lang hörte ich nichts von Milo. Am dritten Tag kam er morgens zu mir nach Hause, in einem schwarzen Polyesteranzug mit einem Revers von vor zwanzig Jahren und einer kürbisorangen Krawatte, eine billige Kunstlederaktentasche unter dem Arm. »Ja, ja, fröhliches Halloween«, brummte er und zupfte an der aufgesetzten Jackentasche. »Echt Vintage, das gute Stück. Man muss nur lange genug warten, dann kommt alles wieder in Mode.«
    Seine Miene war unbewegt. Er steuerte an mir vorbei auf die Küche zu, um seine übliche Inspektion zu machen. Robin und ich waren in letzter Zeit regelmäßig essen gegangen, sodass der Kühlschrank nicht sonderlich viel an Resten hergab. Milo begnügte sich mit Bier, Brot, Mayo, scharfer Sauce, Grillsauce, Steaksauce, Senf, Meerrettich und drei längst vergessenen Lammwürstchen, die er aus den Tiefen des Gefrierschranks kratzte, um sie sich in der Mikrowelle gefügig zu machen.
    Nach mehreren Bissen von seinem Mischmasch-Sandwich nahm er einen langen Schluck Grolsch. »Guten Morgen, liebe Mädchen und Jungen, wer von euch kann das Wort ›sinnlos‹ buchstabieren?«
    Noch ein langer Schluck Bier. »Niemand in der Gegend benutzt diese Pizzakartons, und alle angeblichen Mobber von Well-Start haben Alibis. Außerdem kommen die sowieso nicht so recht als Täter infrage. Die Frau geht stark auf die sechzig zu und hat zur Tatzeit auf ihr Enkelkind aufgepasst. Der Fitness-Freak war mit seinem Radfahrverein auf einer abendlichen Mountainbike-Tour im Griffith Park. Der angeblich große starke Typ ist zwar groß, aber nicht stark, wiegt mindestens zweihundert Kilo und braucht einen Krückstock und einen Inhalator. Am Abend des Mordes war er beim Geburtstag seiner Großmutter, das hat der Kellner bestätigt, der an seinem Tisch bedient hat. Der letzte Typ trägt eine Glasbausteinbrille und bringt vielleicht gerade mal sechzig Kilo auf die Waage. Er war mit einem

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