Rachenacht: Ein Alex-Delaware-Roman (German Edition)
diese Dinge dort erzählen, bin ich auch noch meinen Job los!«
Milo sagte: »Niemand verdächtigt Sie, Samantha. Das hier ist reine Routine. Genauso wie die nächste Frage, die ich Ihnen stellen muss – auch wenn sie verrückt klingt: Wo waren Sie vorletzte Nacht?«
»Wo ich war? Ich war hier. Ich gehe nie irgendwohin, denn dazu braucht man Geld. Ich habe ferngesehen. Früher hatte ich einen 50-Zoll-Flachbild-Fernseher. Heute hab ich nur noch einen kleinen Computermonitor in meinem Schlafzimmer. Alles ist winzig hier, meine ganze beschissene Welt ist winzig.«
Sie presste die Hand auf den Mund und fing an zu weinen.
Das Äußerste an Trauerbekundung, was Vita Berlin zu erwarten hatte.
Milo holte ihr ein Glas Wasser und hielt es ihr an die Lippen, sobald sie aufhörte zu weinen. Seine große Pranke ruhte auf ihrem Unterarm.
Sie trank und wischte sich die Augen. »Danke.«
»Danke Ihnen, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben. Nennen Sie uns jetzt bitte noch die Namen der Kollegen, denen Vita Mobbing vorgeworfen hat.«
Ich erwartete Widerstand, doch Samantha Pelleters Mund verzog sich zu einem schiefen Grinsen, das schwer zu deuten war.
»Aber sicher«, sagte sie. »Ich mache Ihnen eine Liste. Wird Zeit, dass ich mal an mich selbst denke. Die Probleme anderer Leute sind mir jetzt egal.«
Aus einer Küchenschublade nahm sie Zettel und Stift und fing eilig an zu kritzeln. Dann präsentierte sie Milo die Liste, als hätte sie eine Schulaufgabe erledigt.
Cleve Dawkins
Andrew Montoya
Candace Baumgartner
Zane Banion
»Das ist nett, Samantha. Ist von diesen Leuten jemand außergewöhnlich stark?«
»Klar«, sagte sie. »Zane ist dick, aber er hat früher Football gespielt. Und Andrew ist ein Fitness-Freak. Er kommt mit dem Fahrrad zur Arbeit. Er sagt, wenn die Leute besser auf sich aufpassen würden, würden sie nie krank werden.«
»Was ist mit Cleve und Candace?«
»Die sind ganz normal.«
»Die halten sich an den Text.«
»Das tun wir alle«, sagte sie. »Genau das ist der Punkt.«
Milo fuhr nach Norden in Richtung Sepulveda. »Erst spielt sie die verschlossene Auster, aber kaum fühlt sie sich bedroht, verpfeift sie sofort ihre Kollegen. Klingeln da nicht irgendwelche Alarmglocken bei dir?«
»In meiner Funktion als Psychologe habe ich vor allem gesehen, wie fragil sie war. In meiner Funktion als dein Polizeibüttel betrachte ich sie nicht als ernsthaft verdächtig.«
»Polizeibüttel? Ich dachte, du gibst hier den Experten, den weisen Mann.«
»Na ja«, sagte ich, »es war einmal ein ganz besonders widerliches Exemplar von einem Gockel, der nicht aufhörte, die Hennen auf dem Hühnerhof zu schikanieren. Irgendwann musste der Bauer einschreiten. Er kastrierte den Gockel und machte einen Weisen aus ihm.«
Milo lachte. »Dann also nur Experte. Es sei denn, du hast dafür auch eine Geschichte parat.«
»Es war einmal ein ganz besonders widerliches Exemplar von einem Gockel …«
»Hübsche Geschichten. Aber du hast recht. Die gute Samantha hat weder die Nerven noch die körperlichen Voraussetzungen noch den nötigen Grips für das, was Vita angetan wurde. Wer weiß, vielleicht erweist sich einer von den Well-Start-Kollegen als vielversprechender Kandidat.«
Er rief Moe Reed an, gab die vier Namen durch und forderte Personenüberprüfungen an.
Reed sagte: »Wird gemacht. Mit dem Pizzakarton hatte ich bislang kein Glück, aber Sean ist immer noch unterwegs. Die Pathologie hat angerufen, die Laborbefunde für Berlin sind da.«
»Für eine Tox ist das zu schnell.«
»Die haben den Fall wahrscheinlich vorgezogen, Lieutenant.«
»Ich meine wissenschaftlich, Moses.«
»Ja, das kann schon sein«, sagte Reed. »Okay, ich jage die Namen durch das System und melde mich wieder, wenn ich irgendwas weiß.«
Milo drückte die Anruf-Beenden-Taste und rief eine programmierte Nummer auf.
Dr. Clarice Jernigan sagte: »Hi.«
»Die Befunde sind schon da?«
»Wer hat denn das erzählt?«
»Ich habe eben die Nachricht bekommen.«
»Na großartig«, sagte Jernigan. »Die neue Sekretärin sieht zu viel fern und wirft gern mit fetzigen Sprüchen um sich. Nein, tut mir leid, wenn du dir falsche Hoffnungen gemacht hast, Milo. Die Analysen werden Wochen dauern. Ich habe aber tatsächlich angerufen, allerdings wegen des Blutalkohols deines Opfers; kann sein, dass eine volle Tox gar nicht nötig ist. Sie hatte einen Alkoholspiegel von 2,6 Promille, das ist mehr als das Dreifache des erlaubten Limits. Ihre Leber
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