Rachenacht: Ein Alex-Delaware-Roman (German Edition)
wissen, ob wir es die ganze Nacht lang getrieben haben. Was geht Sie das an?«
»Das ist ein Missverständnis, tut mir leid«, sagte Milo. »Mich interessiert, ob Jays Alibi Hand und Fuß hat.«
»Vor fünf Tagen«, sagte Nina Hassan. »Warten Sie hier.«
Ein paar Augenblicke später kehrte sie mit einem Rechnungsbeleg zurück. »Hier, mit Datum von vor fünf Tagen: Imbiss vom Chinesen. Ich hebe immer alles auf. Zu Dokumentationszwecken. Damit der Mistkerl nicht zu billig wegkommt.«
»Imbiss vom …«
»Für zwei Personen«, sagte sie. »Für Jay und mich. Er wollte, dass ich Hühnerfüße probiere. Igitt.«
»Er war die ganze Nacht hier?«
»Aber hallo«, sagte Nina augenzwinkernd. »Er war zu müde, um noch irgendwo hinzugehen.«
»Okay, danke.«
»Damit hab ich ihm geholfen, ja? Wie ärgerlich. Ich hasse Lügner.« Sie schüttelte ihr Haar. »Aber ich sage es, wie es ist: So muss man mit Männern eben umgehen, und nicht anders. Ciao-ciao.«
Sie trat zurück ins Haus und schloss die Tür mit einem manikürten Finger.
Wir fuhren auf den Sunset Boulevard zurück, vorbei an großen Häusern und kleinen Hunden mit Hausmädchen an der Leine und Gärtnern, die mit Laubbläsern Erde und Schmutz aufwirbelten.
Milo sagte: »Streich den Ex, warum sollte das Leben logisch sein? Aber es muss irgendjemand gewesen sein, mit dem Vita im Clinch lag. Schade, dass sie keine Liste ihrer Feinde zurückgelassen hat.«
»Das ist was für Staatspräsidenten.«
Er räusperte sich gewichtig. »Belastende Videoaufnahmen wären auch schön. Okay, ich setz dich zu Hause ab, dann kannst du dein Leben genießen, während wir armen Staatsbediensteten weiterschuften.«
Als wir uns Beverly Glen näherten, spielte sein Handy Mahler. Er schaltete auf Lautsprecher um.
Sean Binchy sagte: »Fette Beu…«
»Ihr habt einen Pizza-Psycho gefunden.«
»Leider nein, aber es gibt andere Neuig…«
»Was?«
»Eine neue Leiche.«
13
Das Hemd lag säuberlich gefaltet neben dem Leichnam. Hose und Unterwäsche waren bis zur Mitte der Oberschenkel heruntergezogen, ganz glatt, ohne Knitter. Der Tote lag auf dem Rücken, drei Meter von einer unbefestigten Einfahrt entfernt; dort hatte die lange Hecke aus Oleanderbüschen eine knapp zwei Meter fünfzig breite Lücke.
Eine perfekte Deckung für die Person, die dem Mann das Genick gebrochen hatte.
Keine Handtücher unter der Leiche. Dafür eine ordentlich ausgebreitete blaue Plane.
Auf Plastik und Erdboden waren ein paar Blutspritzer zu sehen, etwas mehr als in Vita Berlins Wohnung, aber immer noch nicht viel. Auf der Erde um die Plane herum waren Fußabdrücke verwischt worden.
Der Zustand der Leiche ähnelte dem Vitas. Gebrochenes Genick, das gleiche Schnittmuster, die gleiche Anordnung der herausgenommenen Eingeweide.
Der Tatort lag in der Nähe des Temescal Canyon Park im Stadtteil Pacific Palisades, wenige hundert Meter hinter dem Eingang eines ehemaligen Sommer-Camps, das hin und wieder für Dreharbeiten genutzt wurde, aber die meiste Zeit über leer stand. An einem Holzpfosten hing ein altes Drahtgittertor, das über den löcherigen Asphalt ragte. Der zweite Pfosten war verrottet, es war also ein Leichtes, das Gelände zu betreten.
Über die Sicherheit machte sich in dieser Gegend niemand ernsthaft Sorgen, wie uns die uniformierte Beamtin verriet, die die Leiche gefunden hatte.
»Ein paar von den Anwohnern regen sich darüber auf, dass man hier einfach rein- und rausspazieren kann, Lieutenant, aber die meisten finden es gut. Es ist, als hätten sie einen eigenen kleinen Privatpark, und Sie kennen ja die Sorte Leute, die hier wohnt.«
Die Beamtin hieß Cheryl Gates. Sie war groß und blond und hatte breite Schultern und den Blick eines Falken. Äußerlich gänzlich unbeeindruckt von dem, was sie auf der Routinestreife entdeckt hatte. Von dem, was sie und Milo und ich durch die Lücke im Oleander sahen.
Milo sagte: »Reiche Leute.«
»Reich, nach allen Richtungen abgesichert und mit den besten Verbindungen , Sir. Damit meine ich, die Schwester des stellvertretenden Polizeichefs lebt hier in der Nähe, also bin ich aufgefordert worden, jeden Tag hier mal vorbeizufahren. Kostet Zeit, ist aber auch irgendwie nett. Außerdem passiert praktisch nie was. Einmal hab ich einen Jungen und ein Mädchen aufgegriffen, beide sechzehn, die es mit Tequila übertrieben und die Nacht oben bei den Grillplätzen verbracht hatten, splitternackt, sternhagelvoll. Das Witzige war, dass die beiden von
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