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Rachenacht: Ein Alex-Delaware-Roman (German Edition)

Rachenacht: Ein Alex-Delaware-Roman (German Edition)

Titel: Rachenacht: Ein Alex-Delaware-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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der Junge seine Familie als Strichmännchen zeichnet, und zum Elternabend kommen dann tatsächlich Strichmännchen.«
    Shimoff fand das nicht witzig.
    Ich versuchte erneut zu ergründen, warum mich diese einfache Zeichnung nicht losließ.
    Doch mein innerer Bildschirm blieb schwarz.
    Shimoff sagte: »Auf der Kunsthochschule bin ich manchmal noch mit Humor durchgekommen. Aber im echten Leben? Es ist scheiße, Müll abzuliefern. Und zu allem Überfluss muss ich heute Abend trotzdem noch mit meiner Frau shoppen gehen.«
    Mit geballten Fäusten zog er ab.
    Milo murmelte: »Immer diese Künstler«, und nahm das Bild in das große Gemeinschaftsbüro mit, wo er Moe Reed bat, es einzuscannen und an Maria Thomas zu mailen.
    Um achtzehn Uhr war das Phantombild in den Nachrichten, zusammen mit dem bruchstückhaften Bericht über einen Einbrecher in West L. A., der seinen Opfern das Genick brach und ein Stück Papier mit einem Fragezeichen hinterließ. Die vagen Andeutungen machten die Geschichte nur noch beängstigender, und schon wenige Sekunden nach Beginn des nachfolgenden Werbeblocks fingen die Telefone an zu klingeln.
    Um 18:15 Uhr hatte Milo Moe Reed und Sean Binchy zum Telefondienst abkommandiert, sein Büro verlassen und im großen Raum hinter einem Schreibtisch Platz genommen, dessen Besitzer krankgemeldet war. Er übernahm drei Leitungen gleichzeitig, drückte Knöpfe wie ein Ziehharmonikaspieler und machte sich nach kurzen Gesprächen Notizen, wobei sich » TS « (totale Scheiße), »Schizo«, »Eso« und »Wibo« (Witzbold) am häufigsten wiederholten. Bei Reed war es das Kürzel »neg« und bei Binchy »gng«. Als Sean sah, dass ich vergeblich versuchte, seine Abkürzung zu entschlüsseln, hielt er lächelnd die Hand über den Hörer und formte mit den Lippen die Worte: »›Gar nicht gut‹.«
    Ich hörte Reed sagen: »Ja, ich verstehe, Ma’am, aber Sie wohnen hundert Meilen entfernt in Bakersfield, da gibt es gar keinen Grund zur Sorge.«
    Binchy: »Absolut, Sir. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass er etwas gegen Samoaner hat.«
    Milo: »Ich weiß, wie die Ereigniskarte beim Monopoly aussieht. Das war keine.«
    Ich stahl mich aus dem Raum und fuhr nach Hause, in Gedanken bei den Opfern.
    Robin sagte: »Wegen einer Decke? Es braucht nicht viel, um diesen Wahnsinnigen auf hundertachtzig zu bringen.«
    Wir saßen am Teich und warfen den Fischen Futter hin, zwischen uns klemmte Blanche und schnarchte leise. Ich hatte mir einen kleinen Chivas gegönnt und sog jetzt am Eis, während Robin mit ihrem Riesling noch nicht sehr weit fortgeschritten war. Die Nacht roch nach Smog und Jasmin. Der Himmel war kohlrabenschwarz und sah aus wie ein aufgespanntes Zelt. Ein paar Sterne glitzerten wie durch Eispickellöcher.
    Sie sagte: »Sie wirft ihn aus der Klinik, und deshalb bringt er sie um – zwei Monate später?«
    »Vielleicht hat er sich Zeit gelassen, weil ihm die Vorbereitung genauso viel Spaß macht wie die Tat selbst. So wie ich das sehe, hat er die Auseinandersetzung provoziert.«
    »Um sich selbst einen Grund zu geben?«, fragte Robin.
    »Selbst Psychopathen suchen Rechtfertigung. Ich glaube nicht, dass es ihm darum ging, sich für eine Beleidigung zu rächen. Es muss auf Fantasien zurückgehen, die er seit seiner Kindheit hat, trotzdem stellt er sich seine Opfer als schlechte Menschen vor, damit er sich im Recht fühlen kann. Glenda Usfel hat ihn in seine Schranken verwiesen und das Alphaweibchen gegeben – und das kam gar nicht gut bei ihm an. Das Gleiche traf wahrscheinlich auch auf Berlin zu. Üble Laune zu verbreiten war ihr Hobby, nur hat sie es einmal mit dem Falschen zu tun bekommen. Wer überhaupt nicht ins Bild passt, ist Marlin Quigg, der von allen als der netteste Mensch auf Erden beschrieben wird.«
    »Vielleicht war er ja nicht immer so.«
    »Ein geläuterter Misanthrop?«
    »Menschen können sich ändern.« Sie lächelte. »Das hat mir mal jemand erzählt. Womit hat Quigg denn sein Geld verdient?«
    »Als Buchhalter, Steuerberater.«
    »Nicht zufällig als Steuerprüfer?«
    »Ganz im Gegenteil. Er war nur ein kleines Rädchen in einer großen Firma, saß an seinem Schreibtisch und hat für eine Supermarktkette Zahlen durchgekaut.«
    »Wenn jemand deren Tomaten nicht geschmeckt haben, hätte er das bestimmt nicht an Quigg ausgelassen. Hatte er noch andere Interessen?«
    »Bislang hat niemand was erwähnt. Er war Familienvater, ist mit seinem Hund spazieren gegangen, ein ruhiges Leben. Davor hat er

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