Rachenacht: Ein Alex-Delaware-Roman (German Edition)
mit Kreidestreifen, eine violette Hermès-Krawatte und ein lila-kanariengelbes Einstecktuch.
Seine Karte wies ihn als Fachanwalt für Liegenschaftsrecht aus.
Milo sagte: »Mietsachen und Kaufverträge?«
Eccles antwortete: »Früher mal, inzwischen nur noch Räumungsklagen und Zwangsversteigerungsverfahren. Im Grunde bin ich ein Aasgeier.« Sein Lächeln war einstudiert, aber nicht sonderlich ausdauernd. Wir befanden uns seit einer knappen Minute in dem Verhörraum. Die ganze Zeit über hatte Eccles verstohlene Blicke auf Petra Connor geworfen.
Warum, war nicht schwer zu begreifen, zumal angesichts des Alternativangebots. Ihre Lippen schimmerten im Gegensatz zu gestern wieder feucht, ihr Blick war klar, ihre Gesichtsfarbe rosig. Sie trug ein schlichtes Goldkettchen und Brillantohrstecker. Ihr schwarzer Hosenanzug war noch besser geschnitten als der von Lee Eccles.
Zu Anfang tat sie so, als bemerke sie nichts von Eccles’ Blicken. Doch irgendwann lächelte sie und rutschte näher.
Sie lebt in einer festen Beziehung mit einem ehemaligen Detective namens Eric Stahl – aber warum seine Reize nicht einsetzen?
Milo witterte schnell, dass es zwischen den beiden gut lief, und ließ Petra die Befragung leiten.
»Lee«, sagte sie und ließ sich die Silbe auf der Zunge zergehen, »es tut uns so leid, das mit Ihrem Dad.«
»Danke. Das ist sehr freundlich.« Eccles öffnete einen Jackettknopf. »Ich schätze, es sollte mich nicht allzu sehr überraschen, schließlich hat er, wie Sie das nennen würden, ein erhöhtes Lebensrisiko gehabt. Trotzdem …«
»Man ist auf so etwas nie vorbereitet, Lee.«
Eccles’ Augen überzog ein leichter Schleier. Es stand eine Schachtel Papiertaschentücher in Reichweite, doch Petra bot sie ihm nicht an. Es brachte nichts, seine Verletzlichkeit zu betonen.
Eccles benutzte sein Einstecktuch, faltete es anschließend umständlich und steckte es so zurück in die Brusttasche, dass alle vier Ecken herausschauten. »Was genau ist passiert?«
Petra sagte: »Ihr Dad wurde ermordet, und wir setzen alles daran, den Täter zu fassen. Alles, was Sie uns sagen, könnte uns weiterbringen.«
»Was Sie vor allen Dingen wissen müssen, ist«, sagte Eccles, »dass er verrückt war. Ich meine das wörtlich. Er litt unter paranoider Schizophrenie, schon seit Jahren, die Diagnose war kurz nach meiner Geburt gestellt worden. Als ich vier war, haben meine Mom und er sich scheiden lassen, danach habe ich ihn kaum mehr gesehen. Nachdem ich mit meinem Jurastudium fertig war, hat er mich irgendwie ausfindig gemacht und ist in meiner Kanzlei erschienen. Ich war so dumm, ihn mit nach Hause zu nehmen. Es hat nicht lange gedauert, bis es krachte. Tracy – meiner Frau – hat er von Anfang an Angst eingejagt. Irgendwann auch mir.«
»Inwiefern, Lee?«
»Er war nicht offen gewalttätig, aber irgendwie strahlte er immer so eine unterschwellige Brutalität aus, und in gewisser Weise war das sogar noch schlimmer. Wie er schaute, wie er plötzlich mitten in einer Unterhaltung stumm wurde. Einmal haben wir ihn bei uns übernachten lassen, da hat er Löcher in die Wand gehauen und uns mitten in der Nacht aufgeweckt, das war schrecklich. Als ich zu ihm ging, um zu sehen, was los war, hockte er in einer Ecke auf dem Boden und behauptete, er hätte einen Eindringling vertrieben. Aber die Alarmanlage war an, es war niemand hereingekommen. Ich konnte ihn schließlich beruhigen. Später hörte ich ihn im Bett weinen.«
»Was für ein Horror«, sagte Petra.
»Mit der Zeit bekam ich mit, dass es schlimmer wurde, wenn er trank. Das Problem war nur, dass er ziemlich oft trank. Am Ende beschlossen Tracy und ich: keine Übernachtungen mehr. Als er das nächste Mal zu uns kam, sagten wir es ihm, woraufhin er stinkwütend wurde und uns aufs Übelste beschimpfte. Ich wollte für ihn ein Motelzimmer anmieten, doch das brachte ihn noch mehr in Rage, und er stürmte davon. Ein paar Wochen später tauchte er wieder auf und versuchte, mit Gewalt ins Haus zu gelangen – ich hielt die Tür, er warf sich dagegen. Da habe ich beschlossen, ihn einweisen zu lassen. Dreimal habe ich es versucht. Zu seinem Wohl, aber auch zu unserem war es besser, wenn er nicht auf der Straße umherzog, sondern in einer überwachten Umgebung lebte. Jedes Mal, wenn ich zum Gericht ging, war da so ein Gutmensch von der Rechtsberatung, der mir Knüppel zwischen die Beine warf. Irgend so ein Arschloch, das ihn nie gesehen hatte, aber trotzdem meinte, seine
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