Rachenacht: Ein Alex-Delaware-Roman (German Edition)
Rechte schützen zu müssen. Offenbar gehen die die Prozesslisten durch, und selbst wenn einer nur einen Zweiundsiebzig-Stunden-Arrest beantragt, stehen sie sofort auf der Matte.«
»Oh Mann«, sagte Petra.
Lee Eccles fuhr fort: »Diese kleinen Würstchen, die mit Steuergeldern bezahlt werden und nicht nur alle Tricks, sondern auch sämtliche Richter kennen, weil sie wahrscheinlich regelmäßig mit diesen hirntoten Typen zu Mittag essen. Ich hatte nicht den Hauch einer Chance, obwohl ich selbst Anwalt bin. Nach dem dritten Versuch hab ich mit einem Kumpel gesprochen, der Gesundheitsrecht macht, und er meinte, ich kann mir die Zeit und das Geld sparen. Bis er nicht tatsächlich gewalttätig wird – also bis Blut fließt – oder versucht, sich umzubringen, wird nichts passieren. Selbst dann würden sie ihn nach ein paar Tagen wieder rauslassen.«
»Keine unmittelbar drohende Gefahr«, sagte Petra.
»So ein Schwachsinn. Allein die Tatsache, dass er auf der Straße lebte, war für ihn gefährlich genug. Das hat man ja jetzt gesehen .« Sein markanter Kiefer schob sich zur Seite und rastete dann wieder an seinem Platz ein. »Wissen Sie, was ich am liebsten tun würde? Diese Würstchen in die Pathologie schleppen und ihnen zeigen, was sie angerichtet haben.«
Er zupfte an seinem Krawattenknoten. »Haben Sie eine Idee, wer ihm das angetan haben könnte?«
Ihm. Er. Nicht: Dad, Pops, Vater oder alter Herr.
»Leider noch nicht, Lee. Sie?«
»Schön wär’s. Wo wurde er ermordet?«
»In einer Seitenstraße zwischen Hollywood Boulevard und Western Avenue.«
»Oje«, sagte Eccles. »In der Gegend hab ich ihn abgesetzt, nachdem ich ihn aus dem Gefängnis geholt hatte.«
»Wann war das, Lee?«
»Vor etwa einem Monat ist er verhaftet worden, weil er beim Betteln jemanden angegriffen hatte. Er meldete sich bei mir und bat mich, ihn rauszuholen. Ich dachte mir, dass er sowieso rauskäme, dann aber stinksauer auf mich wäre, weil ich ihm nicht geholfen hatte, und so zahlte ich die Kaution, nahm ihn mit und ließ ihn dort aussteigen, wo er wollte. Wo er mich anwies , ihn aussteigen zu lassen. Als wäre ich sein Chauffeur. Dort ist es also passiert?«
Petra sagte: »Haben Sie gesehen, wohin er ging?«
»Nein, ich wollte so schnell wie möglich Land gewinnen.«
»Haben Sie bemerkt, dass er mit irgendjemandem Kontakt aufnahm?«
»Nein. Aber etwas anderes ist mir gerade eingefallen, wahrscheinlich war das nur eine von seinen Wahnvorstellungen, erzählen kann ich es Ihnen ja trotzdem. Auf der Fahrt vom Gefängnis steigerte er sich in eine seiner typischen Tiraden hinein, ein Typ hätte ihn belästigt und er hätte Angst. Dann fing er an, sich auf mich einzuschießen, ich sei doch ein verdammter Anwalt. Anwälte wüssten doch, wie es läuft, warum ich ihm nicht helfen würde? Ich sagte, wenn er Angst habe, würde ich ihm eine Bleibe organisieren. Er wurde fuchsteufelswild und warf mir vor, ich wolle ihn in einer Klapsmühle wegsperren, ich sei genauso ein Schwein wie alle Anwälte. Ich sagte: ›Du bist derjenige, der sich beschwert, dass jemand hinter dir her sei, ich versuche nur, zu helfen.‹ Daraufhin hielt er den Mund und ignorierte mich vollkommen. Als wir die Stelle erreicht hatten, wo er aussteigen wollte, sagte er: ›Halt hier‹, und stieg aus, ohne sich noch mal umzusehen.«
Petra sagte: »Wer war der Mann, vor dem er Angst hatte?«
»Nur eine alte Wahnvorstellung, glauben Sie mir.«
»Wie meinen Sie das?«
»Der Typ existiert nur in seiner Fantasie. Seit ich denken kann, bildet er sich den schon ein. Meiner Mutter zufolge fing es an, als er tatsächlich mal in einer psychiatrischen Klinik war.«
»Wo war das?«, fragte Petra.
»Die Einrichtung gibt es nicht mehr«, sagte Lee Eccles. »Ventura State Hospital. Er war damals auf unbestimmte Zeit dort eingewiesen worden, kam dann aber recht bald wieder raus, nach dem, was meine Mutter erzählt hat. Früher war es einfacher, jemanden einweisen zu lassen. Ein Richter hatte das veranlasst, nachdem er in einer Kneipe jemandem den Kiefer zertrümmert hatte und dann im Zeugenstand behauptete, der habe ihm Radiolautsprecher in seinen Kopf implantieren wollen.«
»Wie lange ist das her, Lee?«
»Warten Sie, ich war dreizehn … nein, vierzehn, ich habe Baseball gespielt, das heißt, ich war schon in der Highschool. Etwa dreiundzwanzig Jahre. Das mit dem Baseball weiß ich noch, weil ich zu der Zeit immer fürchtete, dass er mal bei einem Spiel auftaucht und mich
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