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Rachenacht: Ein Alex-Delaware-Roman (German Edition)

Rachenacht: Ein Alex-Delaware-Roman (German Edition)

Titel: Rachenacht: Ein Alex-Delaware-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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schleuderte es unbeholfen quer durch den Raum. Es landete auf dem Teppich und rollte weiter. »Eine vollständige Thyroidektomie, ohne jegliche Indikation. Nach einer Woche wurde der Junge in die Spezialstation zurückverlegt. Der Scharlatan behauptete, zum Schutz und Wohl des Kindes zu handeln – indem er versuchte, dessen Verhalten zu regulieren , nachdem alle anderen Ansätze eindeutig gescheitert seien. Mein Verdacht war immer, dass er sich rächen wollte, eiskalt und archaisch.«
    »Nach dem Motto: Du findest operieren also toll, Kleiner? Dann weißt du ja jetzt, wie es sich anfühlt. Aber Rache? Wofür?«
    »Eines der Tiere, die der Junge für seine Experimente gefangen hatte, war das inoffizielle Haustier des Scharlatans gewesen. Eine Streunerkatze, die er ab und zu gefüttert hat. Natürlich hat er das bestritten. Ihm sei es nur darum gegangen, dem Kind zu helfen. Als ich von meiner Kreuzfahrt zurückkam und erfuhr, was geschehen war, war ich entsetzt und vor allem stinksauer auf meine Leute, dass sie nicht eingegriffen hatten. Alle behaupteten, sie hätten nichts gewusst. Ich knöpfte mir den Schweinehund vor, führte ein langes Gespräch mit ihm und erklärte ihm, dass er sofort in Ruhestand gehen werde, und falls er sich jemals wieder in einer staatlichen Klinik bewerben sollte, ich dagegen einschreiten würde. Er protestierte, fing dann an zu jammern, versuchte zu schachern und verstieg sich am Ende zu einer erbärmlichen Drohung: Alles, was er getan habe, sei unter meiner Leitung geschehen, ich würde also bei einer Überprüfung auch nicht ungeschoren davonkommen. Ich blieb knallhart, und schließlich gab er nach. Im Grunde war er sowieso schon jenseits von Gut und Böse gewesen. Ging auf die achtzig zu.«
    Er lächelte. »Jünger als ich heute bin. Manche von uns verrotten schneller als andere.«
    »Ausländische Referenzen«, sagte ich. »Woher stammten die?«
    »Aus Belgien.«
    Meine Brust wurde eng. »Université de Louvain?«
    Cahane nickte. »Ein dummer übereifriger Wicht mit einem unerträglichen Akzent, der alberne Fliegen trug und sich das Haar gelte und herumstolzierte, als hätte er Freuds Ring geküsst.«
    »Wie war sein Name?«
    Die Frage war müßig.
    Cahane sagte: »Ach, was soll’s. Sein Name war Shacker. Bööörnhard Shacker. Verschwenden Sie nicht Ihre Zeit damit, ihn zu suchen, er ist mausetot. Erlitt an dem Tag, nachdem ich ihn gefeuert hatte, einen Herzinfarkt und brach mitten auf dem Parkplatz vor der Klinik zusammen. Stress war sicherlich ein Auslöser, aber diese Sandwiches, die er immer zu Mittag aß, waren auch nicht gesund. Fettiges Schweinefleisch und solche Sachen, und dann auch noch dick mit Butter beschmiert.«
    »Was passierte mit dem Jungen?«
    »Ob ich ihn wieder aus der Spezialstation geholt habe?«, fragte Cahane. »Das schien nicht ratsam, nachdem was ihm angetan worden war. Außerdem zeigte er zunehmend pubertäre Veränderungen. Stattdessen schuf ich innerhalb der Mauern der geschlossenen Abteilung eine heimelige Umgebung für ihn. Statt einer vergitterter Zelle bekam er ein Zimmer mit Sicherheitsschloss, das bis dahin als Lagerraum genutzt worden war, aber ein Fenster und einen hübschen Ausblick auf die Berge hatte. Wir strichen es fröhlich blau an, verlegten Teppich, stellten ein richtiges Bett statt eines Klinikbetts hinein und statteten es mit Fernseher, Radio, Stereoanlage und Kassetten aus. Es war ein hübsches Zimmer.«
    »Sie haben ihn in der Spezialstation behalten, weil Sie damit gerechnet haben, dass er in der Pubertät zunehmend gewalttätig wird.«
    »Aber er hat meine Erwartungen widerlegt, Dr. Delaware. Er entwickelte sich zu einem angenehmen, gesitteten Jugendlichen, der seine Zeit mit Lesen verbrachte. In dieser Phase bemühte ich mich wesentlich stärker um ihn, besuchte ihn regelmäßig und sorgte dafür, dass es ihm gut ging. Ich zog einen Endokrinologen hinzu, der seine Synthroid-Dosierung überwachen sollte. Er sprach gut auf das T4 an.«
    »Wurde er psychiatrisch behandelt?«
    »Er wollte nicht, und er zeigte keine Symptome. Nachdem, was er durchgemacht hatte, wollte ich ihn auf keinen Fall zwingen. Was aber nicht heißt, dass er nicht gründlich überwacht wurde. Es wurde alles getan, um eine Regression zu verhindern.«
    »Kein Zugang zu Tieren.«
    »Seine Freizeit wurde vollständig überwacht, und er durfte den Garten der Spezialstation nicht verlassen. Er warf Körbe, machte Gymnastik und ging spazieren. Er aß gut, sah immer

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