Racheschwur (Flammenherz-Saga, Band 2) (German Edition)
ganzes Stück entfernt war.
Gedankenverloren strich ich mit den Fingern über den Wollstoff der Kleider neben mir auf dem Bett und plötzlich hatte ich eine Idee.
Ich glättete die Falten meines Kleides und betrachtete mich im Spiegel.
»Kaum zu glauben, dass ich das bin«, sagte ich zu mir selbst. Mit zwei raschen Handgriffen zog ich mir die Haube etwas tiefer ins Gesicht und stopfte eine lose Haarsträhne wieder darunter.
Erneut warf ich einen prüfenden Blick auf mein Spiegelbild. Irgendetwas fehlte noch. Ich biss mir nachdenklich auf die Unterlippe und überlegte, während ich mich von oben bis unten begutachtete. Ich hatte das viel zu große Kleid angezogen, nachdem ich meine eigenen Gewänder und das zweite Kleid aus der Waschküche, mit diversen Leinenbändern um meinen Körper gebunden hatte.
Das war komplizierter gewesen, als ich angenommen hatte. Es so aussehen zu lassen, als wäre mein Körper mollig, ohne dass man die Mogelpackung bemerkte, war leichter gesagt als getan. Fast die ganze Nacht hatte ich damit verbracht, die Kleider so zu positionieren und zu verschieben, dass keine unnatürlichen Wülste auftauchen, die mich verraten würden.
Jetzt war ich mit dem Ergebnis mehr als zufrieden. Ich sah 30 Kilo schwerer aus als zuvor. Anhand meiner Figur würde mich niemand erkennen. Aber mit meinem Gesicht musste ich mir noch etwas einfallen lassen. Mein Blick fiel auf den Kamin. Ich runzelte nachdenklich die Stirn, dann grinste ich mein Spiegelbild an und sagte:
»Gute Idee.« Ich strich mit den Fingern über die innere Seitenwand des Kamins und verteilte den Ruß anschließend partiell in meinem Gesicht. Nur so viel, dass es aussah, als habe ich mich bei meiner Arbeit beschmutzt. Zu guter Letzt rieb ich mir noch ein wenig davon über die Zähne und erschrak selbst, als ich probehalber lächelte.
Ich war mit dem Ergebnis zufrieden. Mehr konnte ich sowieso nicht tun, da mir die dazu nötigen Materialien fehlten. Ich hatte mein Bestes gegeben und konnte nur hoffen, dass die Wachen mich nicht erkannten. Ich nahm den geflochtenen Korb, der am Kamin stand und in dem die Holzscheite lagen, und leerte ihn aus. Stattdessen packte ich das Bündel hinein, in dem ich die Würste und das Brot eingewickelt hatte. Obenauf legte ich einen gewebten Sack, den die Mägde benutzten, um Baumrinde zu transportieren. Die Äpfel steckte ich mir in die tiefen Taschen meines Umhangs. Mein Blick schweifte zum Kaminsims, auf dem Feuerstein und Zunder lagen. Rasch griff ich danach und steckte beides zu den Äpfeln in meine Tasche. Ich hatte zwar noch niemals selbst versucht, mit diesen Gegenständen ein Feuer zu entfachen, aber ich hatte Malcolm dabei beobachtet. So schwer konnte das ja nicht sein.
Wenn eine der Wachen einen Blick in meinen Korb werfen würde, sähe es so aus, als machte ich mich auf den Weg, um neue Rinde zum Färben zu besorgen.
Ich stellte mich ans Fenster und sah hinunter in den Burghof. Duncan hatte mir beim Frühstück erzählt, dass er am Vormittag zu einem seiner Bauern reiten müsse, aber am Nachmittag wieder zurück sei. Er hatte mir vorgeschlagen, ihn zu begleiten, doch ich hatte mit der Begründung abgelehnt, dass ich mich nicht wohl fühle und mich noch ein wenig hinlegen wollte.
Jetzt musste ich nur noch warten, bis er die Burg verließ und dann hoffen, dass meine Flucht gelang. Es dauerte nicht lange, bis ich seine große Gestalt erkannte. Als er sich umdrehte und zu mir nach oben sah, machte ich einen hastigen Schritt nach hinten. Hoffentlich hatte er mich nicht gesehen. Mit wild pochendem Herz wagte ich mich wieder etwas näher ans Fenster und sah, wie er im Galopp davon ritt.
Ich atmete tief ein und nahm allen Mut zusammen, als ich die Tür meines Zimmers öffnete und auf den Gang hinaustrat. Verstohlen sah ich mich um, doch ich war allein.
Eilig hastete ich die Treppe nach unten, den Korb fest an meine Brust gepresst. Hoffentlich kam keine der Wachen auf die Idee, mich anzusprechen. Wäre dies der Fall, würde meine Tarnung sofort auffliegen, denn ich sprach nicht den typisch schottischen Dialekt.
Auch in der großen Eingangshalle begegnete mir niemand, was mich sehr erleichterte. Die Tür zum Burghof stand offen und ich konnte eine der Wachen erkennen, die dort postiert war. Wie es schien, hatte es zu regnen begonnen, was ich als weiteren Vorteil sah. Bei dem Schmuddelwetter würde sich niemand die Mühe machen, mir zu folgen.
Mit gesenktem Kopf trat ich nach draußen und ging
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