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Rachesommer

Rachesommer

Titel: Rachesommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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Polizisten. Er stritt alles ab, doch er hatte seine Spuren an Sandra und ihr hinterlassen.
    Obwohl sie noch ein Kind war, hätte sie ihn damals am liebsten mit der Schaufel selbst unter die Erde gebracht, ihm das Gesicht aus dem Kopf gekratzt oder ihn mit Benzin übergossen und angezündet. Erst Wochen später, beim Anblick des leeren Stockbetts in ihrem Zimmer, kamen die Schuldgefühle. Wäre sie doch nicht geflüchtet…
     
    »Evelyn!« Sie schreckte hoch.
    »Was macht sie?«
    »Sie raucht eine Zigarette.«
    »Unternehmen Sie doch etwas!«
    Zünde das Schwein endlich an und lass es brennen, dachte sie und erschrak selbst über ihre Gedanken. Plötzlich wich sie geblendet zurück. Neben dem Rasentraktor ging eine Stichflamme hoch. Beinahe glaubte sie, die Hitze auf dem Gesicht zu spüren. Sie schloss die Augen und stellte sich vor, dass es jemand anders war, der verzweifelt um Hilfe und Vergebung schrie. Doch die Zeit der Vergebung war nicht heute - und schon gar nicht an einem Ort wie diesem.
    Pulaskis Rufe verstummten ebenso wie Boltens Schreie. Evelyn stieg langsam von der Kiste, ging zurück zur Wand und setzte sich hin. Sie spürte die Kälte der Mauer in ihrem Rücken. Ihre Hände waren ebenso kalt wie der Griff der Pistole, doch innerlich war sie vollkommen ruhig. Nie wieder würde dieses Monster ihr oder einer anderen Frau einen Sack über den Kopf stülpen. Nie wieder würde er ein Kind in sein rotes Zimmer locken. Nie wieder würde die Kamera laufen, während er sich zu dem gelben Stoffhasen aufs Bett setzte.
    »Evelyn …«, murmelte Pulaski.
    »Seien Sie still!«
    Im Moment ertrug sie keine Stimme. Das Chaos in ihrem Kopf war laut genug. Sie schwiegen eine Weile und lauschten dem Knistern der Flammen, die langsam verebbten.
    Mitten in der Stille hörten sie das Aufheulen eines Motors, gedämpft durch die Wände einer Garage. Womöglich hatte Sybil den Schlüssel von Boltens Mercedes gefunden. Konnte sie tatsächlich einen Wagen lenken?
    Evelyn hörte, wie die Reifen über den Kies knirschten, das automatische Gartentor aufging und ein Auto das Grundstück verließ.
    »Wohin fährt sie?«, murmelte sie. Die Frage war an niemanden gerichtet.
    Trotzdem antwortete Pulaski. »Können Sie sich das nicht denken?«
    Offensichtlich wartete er, bis sie ihn ansah. »Sie selbst haben sie auf die Spur gebracht. Sie fährt zu Greta Hockinsons Villa - um den letzten Namen auf der Liste auszulöschen.«
     
    62
     
    Evelyn konnte nicht glauben, was er als Nächstes sagte.
    »Wir müssen den Mord an Greta verhindern!«
    Sie starrte ihn lange an. Wovon sprach der Mann, verdammt noch mal? Greta Hockinson war die Drahtzieherin hinter den Kreuzfahrten. Sie hatte all das Leid über diese Kinder gebracht - und die meisten davon in die Psychiatrie. Ohne sie wäre Manuel vielleicht noch am Leben. Zumindest läge sein Leichnam nicht unter irgendeiner Sanddüne vergraben.
    »Wir müssen uns beeilen«, drängte Pulaski. »Helfen Sie mir auf1.«
    Evelyn zerrte ihn hoch, bis er mit dem Rücken an der Wand lehnte. Die Kette, die um das Heizungsrohr geschlungen war, ließ ihm gerade so viel Spielraum, dass er die Arme mit den Handschellen in den Schoß legen konnte.
    »Das Handy«, bat er.
    Sie reichte ihm sein Telefon, das ihm zuvor aus der Hosentasche gefallen war. »Soll ich für Sie wählen?«
    »Es geht schon …« Mit kraftlosen Fingern hielt er das Gerät in der Hand und betätigte die Lautsprecherfunktion. »Ich werde versuchen, einen Personenschutz für Greta Hockinson zu organisieren. Aber wenn das so lange dauert wie heute Morgen bei Lisa, kommt wahrscheinlich jede Hilfe zu spät.«
    Sie spürte Pulaskis eindringlichen Blick auf ihr. »Sie könnten schneller bei ihr sein.«
    Evelyn betrachtete die Waffe, die sie immer noch in der Hand hielt. »Lässt sich damit die Brandschutztür aufschießen?«
    »Stellen Sie sich einen Meter vor die Tür, kneifen Sie das linke Auge zu, richten Sie die Waffe mit beiden Händen auf das Schloss, und zielen Sie so, dass die Oberkanten von Kimme und Korn eine Linie bilden.« Evelyn stellte sich vor die Tür.
    »Strecken Sie die Arme durch, und erschrecken Sie nicht beim Rückstoß.«
    Evelyn umklammerte den Griff. Ihre Fingerknöchel traten weiß hervor. Je fester sie die Waffe hielt, desto mehr zitterten ihre Hände.
    »Nur ruhig«, sagte Pulaski. »Locker bleiben.«
    Sie drückte ab. Der Abzug war leichter zu betätigen, als sie gedacht hatte. Allerdings war der Knall ohrenbetäubend. Der

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