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Rachesommer

Rachesommer

Titel: Rachesommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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stemmte eine Hand in die Hüfte. »Ich hätte das Band längst ausschalten oder löschen sollen. Aber ich komme zu nichts. Seit Tagen schlage ich mich mit der dämlichen Alarmanlage herum. Die Arbeiter bekommen die Einstellung nicht hin. Kennen Sie ein Videoüberwachungssystem, das fehlerfrei funktioniert?«
    »Nein, ich …«
    »Jedenfalls kann ich Ihnen von Sicuro abraten. Legen Sie sich lieber einen Hund zu. Es sei denn, Sie wollen einen Alarm, weil der Bewegungsmelder eine eingehende Nachricht aus dem Faxgerät für einen Einbrecher hält.« Sie blickte sich auf der Terrasse um und hielt nach den Männern Ausschau, die mit Sensoren und Kabeltrommeln über das Grundstück liefen. Scheinbar wurde alles rund ums Haus bis zum Holzpavillon verkabelt.
    »Was sagten Sie noch gleich, wollen Sie hier?«
    Das Gerede der Frau nervte Evelyn. »Ich würde mich gern mit Herrn Hockinson unterhalten.«
    »Ach ja.« Sie griff sich an die Schläfe, als plagte sie eine schwere Migräne. »Mein Vater ist letzte Woche gestorben.«
     
    33
     
    Vom Wintergarten der Hockinson-Villa aus sah man geradewegs zum Meer. Hinter den Hecken lag der Strand mit den gelben Korbstühlen und zusammengeklappten Sonnenschirmen. Wegen des Windes waren nur wenige Pärchen am Ufer unterwegs. Einige Papierdrachen erhoben sich in den Himmel, und ab und zu flog ein Ball durch die Luft, dem ein Hund hinterherjagte.
    Greta Hockinson kam mit Tassen und einer Teekanne auf einem Tablett aus der Küche. »Evelyn … Ich darf Sie doch so nennen?« Sie wartete Evelyns Antwort gar nicht erst ab, sondern nickte in Richtung Fensterscheibe. »Sehen Sie, die Idylle trügt. Das Watt ist feucht und schlammig. Salzwasser überall. Ständig pfeift einem der Wind um die Ohren. Entweder man gewöhnt sich daran, oder es treibt einen in den Wahnsinn. Genau wie das Kreischen der Möwen.«
    Nachdem sie das Tablett auf den Korbtisch gestellt hatte, setzte sie sich neben Evelyn in einen Rattanstuhl. Sie überschlug die langen Beine und wippte mit dem Reiterstiefel.
    »Was hatte mein Vater mit einer Wiener Anwältin zu tun? Und sagen Sie bloß nicht, es gibt ein Testament in Wien, und er hat zwei uneheliche Töchter. Das kann ich jetzt brauchen wie eine Lungenentzündung.«
    Trotz der unangenehmen Situation konnte sich Evelyn ein Schmunzeln nicht verkneifen. Greta Hockinson war ein Unikat. Doch bekam Evelyn ein merkwürdiges Kribbeln im Magen, sobald sie Gretas unruhige Hände beobachtete.
    »Es geht um eine Schiffsreise, die Ihr Vater vor einigen Jahren veranstaltet hat«, begann Evelyn. »Zwei unserer Klienten nahmen daran teil. Heinz Prange und Rudolf Kieslinger.« Sie beobachtete Greta, doch auf deren Gesicht zeigte sich keine Reaktion.
    »Kieslinger war ein pensionierter Kinderarzt aus Wien und Prange ein Münchner Stadtrat.«
    »War?«
    »Beide kamen innerhalb der letzten zwei Monate bei mysteriösen Unfällen ums Leben.«
    Wiederum keine Reaktion. Greta Hockinsons Bein wippte auf und ab. »Was bezeichnen Sie als mysteriös?«
    Evelyn erzählte, was sie über die Todesfälle wusste, verheimlichte jedoch, dass eine junge Frau im blauen Spaghettiträgerkleid in unmittelbarer Nähe beider Tatorte gesehen worden war.
    Greta verzog das Gesicht. »Klingt für mich, als hätten die beiden Herren zu viel getrunken.«
    »Möglich. Fakt ist, dass sie sich auf einem Schiff Ihres Vaters kennengelernt haben, der Friedberg…«
    Gretas Bein stoppte in der Bewegung.
    »Die Jacht hat Bremerhaven damals verlassen und ist neun Tage später wieder dort eingelaufen.« Evelyn füllte ihre Tasse mit Tee. »Kennen Sie das Schiff?«
    »Die Friedberg …?« Greta klopfte mit dem Fingernagel gedankenverloren gegen ihre Schneidezähne. Schließlich setzte sie sich auf. »Sehen Sie, mein Vater besaß früher einige Jachten und Passagierschiffe, die er an Reiseveranstalter vermietete. Der größte Kahn hatte etwas mehr als fünfzig Kabinen. Möglich, dass eines der Schiffe Friedberg hieß. Ich habe mich kaum um Vaters Geschäfte gekümmert, und er selbst zog sich vor Jahren aus der Branche zurück.«
    Weil er mit den Erpressergeldern gut leben konnte?, fügte Evelyn in Gedanken hinzu.
    »Woran denken Sie gerade?«, fragte Greta.
    Evelyn versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. »Hockinson ist kein typisch deutscher Name.«
    »Viele amerikanische Besatzungssoldaten blieben nach dem Krieg hier. Mein Großvater stammte aus Illinois, meine Großmutter aus Hamburg.«
    Evelyn deutete zu den Bilderrahmen auf

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