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Rachesommer

Rachesommer

Titel: Rachesommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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Spaghettiträgerkleid.
     
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    Evelyn betrachtete abwechselnd das Phantombild und die Aufnahme der Kamera. Die Ähnlichkeit der beiden jungen Frauen war so offensichtlich, dass kein Zweifel bestand: Es handelte sich um dieselbe Person.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte Greta.
    »Wenn ich das wüsste.« Evelyn hatte sich von ihrer Reise nach Deutschland Antworten erhofft. Stattdessen wurden weitere Fragen aufgeworfen.
    »Diese junge Dame wurde kurz vor Stadtrat Pranges Tod in dessen Nähe gesehen. Und sie hielt sich in jener Nacht an dem Ort auf, an dem Kieslinger starb.« Evelyn bemerkte, wie schwer es ihr fiel, das Wort Tatort zu vermeiden.
    »Sie denken, diese Frau hat etwas mit dem Tod der beiden Männer zu tun?«
    »Es sieht ganz danach aus.«
    »Waren Sie deswegen schon bei der Polizei?«, fragte Greta.
    Wieder dieses heiße Kribbeln im Magen. Was stimmte hier nicht? Evelyn schüttelte den Kopf.
    »Hätte ohnehin nichts gebracht«, seufzte Greta. »Die Kripo jagt dieses Phantombild seit Tagen durch die Medien, doch bisher kam kein einziger Hinweis - als gäbe es diese Person nicht. Ich dachte bereits an ein Hirngespinst der Boutiquenbesitzerin, doch …«
    »Dieses Foto ist der beste Beweis, dass die Frau existiert.«
    »Aber niemand kennt sie«, murmelte Greta.
    »Jedenfalls stellt sich die Frage, welches Geheimnis Prange, Kieslinger und Ihren Vater verband.« Evelyn machte eine längere Pause. »Was ist damals auf dem Schiff passiert?«
    Sie wusste nicht, ob sie Greta vertrauen konnte. War sie ebenso ahnungslos wie Evelyn, oder wusste sie etwas über die Zusammenhänge? Sicherheitshalber behielt sie die Tatsache für sich, dass jemand mit einem Hamburger Konto die beiden Männer seit dem Zeitpunkt der Schiffsreise erpresst hatte.
    »Wie sagten Sie doch gleich, hieß das Schiff? Die Friedberg?« Greta dachte nach. »Mein Gott, es ist unmöglich zu rekonstruieren, was vor zehn Jahren passiert ist. Vielleicht gibt es Unterlagen im Arbeitszimmer meines Vaters. Aber ich habe das Büro schon als Mädchen nie betreten, und erst recht nicht nach seinem Tod.«
    Für einen Augenblick sah sie unwillkürlich in den dunklen Korridor. »Dieser ehemalige Jurist, der den Staatsanwalt kennt, war ein enger Freund meines Vaters. Seit einem Reitunfall ist er im Ruhestand, doch er kümmert sich um die finanziellen Angelegenheiten der Verlassenschaff. Ohne seine Hilfe wäre ich heillos überfordert. Im Moment habe ich keinen Kopf für den ganzen Behördenkram. Vor etwa zwei Monaten wurde in dieses Haus eingebrochen und sämtlicher Familienschmuck gestohlen. Vater bildete sich eine Alarmanlage ein, doch das verdammte Mistding funktioniert bis heute nicht. Irgendetwas mit der Verkabelung. Noch dazu beginnt gerade die Reitsaison, ich habe bis über beide Ohren mit dem Reiterhof zu tun … und jetzt zeigen Sie mir einen Tag vor der Beerdigung meines Vaters dieses Foto.« Sie griff sich an die Schläfe.
    In diesem Moment betrat ein Arbeiter den Wintergarten. Er hielt eine winzige Fernbedienung in der Hand. »Wir sind fertig.«
    Greta erhob sich. »Sie entschuldigen mich, Test Nummer zweiundvierzig, wieder erfolglos, das weiß ich jetzt schon.« Sie warf dem Arbeiter einen verächtlichen Blick zu.
    Evelyn erhob sich ebenfalls.
    »Wohnen Sie in einem Hotel in der Nähe?«, fragte Greta. »Eigentlich hatte ich vor, heute Abend wieder nach Wien zu fliegen.«
    »Lassen Sie Ihre Telefonnummer da. Ich melde mich bei Ihnen, sobald ich etwas herausgefunden habe - und danke, dass Sie sich die Mühe gemacht haben herzukommen.« Greta reichte ihr die Hand und verschwand mit dem Arbeiter im Garten.
    Evelyn sah ihr nach, während sie dem Techniker zum Pavillon folgte. Schließlich kramte sie ihre Visitenkarte aus der Handtasche und legte sie neben das Phantombild auf den Korbtisch. Danach faltete sie das Foto der Kamera zusammen und steckte es in ihre Tasche. Wollte Greta tatsächlich versuchen, mehr über die Sache rauszufinden? Evelyn war sich dessen nicht mehr sicher. Zwei Sachen machten sie stutzig. Erstens hatte Greta sie nicht um eine Kopie des Geldautomatenfotos gebeten - und Evelyn hätte an ihrer Stelle darauf gebrannt, endlich ein echtes Foto der mysteriösen Frau in Händen zu halten.
    Zweitens hatte Evelyn mit keinem Wort erwähnt, dass die Friedberg vor zehn Jahren in See gestochen war.
     
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    Gegen Mittag erreichte Pulaski Göttingen. Die psychiatrische Anstalt Herberhausen lag außerhalb der Stadt. Sonja Willhalm hatte

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