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Rachesommer

Rachesommer

Titel: Rachesommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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ergraut.
    »Warum sind so viele Beamte in der Klinik?«
    Er blähte die Backen auf. »Sehen Sie, Sie sollten besser meine Fragen beantworten …«
    »Sie klingen nicht, als kämen Sie aus dieser Gegend«, stellte Evelyn fest.
    »Zum Glück - Sie allerdings auch nicht.« Er rieb sich den Schlaf aus den Augen. »Nun, ich komme aus Leipzig, um Ihre Neugierde zu befriedigen … Und ich habe eine schlimme Nacht hinter mir, also machen Sie es nicht komplizierter, als es ist.«
    »Meine Nacht verlief auch nicht gerade entspannt.«
    »Okay.« Der Mann zerrte genervt am Knoten seiner Krawatte. »Also noch mal: Warum interessieren Sie sich für Lisa Gurdijew?«
    »Wollen Sie mir nicht erst mal Ihren Namen verraten?«
    Der Mann hielt inne und musterte sie. »Entschuldigung, Sie haben Recht. Ich könnte ja ein entflohener Irrer sein.« Er griff an den Hosenbund, holte ein Lederetui hervor und ließ es aufklappen. Kriminaldauerdienst stand auf der Plakette. »Walter Pulaski«, stellte er sich ihr vor.
     
    53
     
    Nun hatte das zerknautschte Gesicht auch einen Namen. Er reichte ihr sogar eine Visitenkarte aus der Brieftasche. Kriminaloberkommissar stand auf dem Papier. Evelyn steckte die Karte in die Tasche ihrer Jeans, erhob sich und reichte Pulaski die Hand.
    Augenblicke später merkte sie, dass sich hinter seinem rauen Aussehen und der ruppigen Art gar kein so hartgesottener Ermittler verbarg. Im Grunde genommen war dieser Pulaski vielleicht sogar ein witziger Kerl - immerhin blitzte für einen Moment ein gewisser Sarkasmus in seinen Augen auf, den sie von Patrick kannte.
    »Evelyn Meyers«, sagte sie und gab ihm ihre Visitenkarte. »Sie sehen aus, als könnten Sie einen starken Kaffee vertragen. Darf ich Sie zu einer Tasse einladen?«
    »Wow.« Pulaski lächelte schwach. »Ich hatte noch nie ein Date mit einer« - er blickte auf das Logo - »Anwältin.« Er kramte ein Exemplar des bunten Flyers aus der Tasche, den Evelyn bereits am Infoschalter gesehen hatte. Das Papier war so zerknittert, als wäre Pulaski damit bereits seit Tagen auf dem Gelände unterwegs.
    »In letzter Zeit habe ich ziemlich viele Psychiatrien von innen gesehen, doch diese hier schlägt alles«, murrte er, während er den Lageplan studierte. »Ganz schön verwirrend. Aber irgendwo auf diesem Areal gibt es eine Cafeteria, in der wir hoffentlich ungestört sind.«
     
    Das Kaffeehaus Alt Wien befand sich im Haus Nr. 17 und hielt, was sein Name versprach. Es roch nach frisch gebrühtem Kaffee, Krapfen und Wiener Apfelstrudel. Leise Walzerklänge drangen aus den Lautsprechern neben der Tortenvitrine.
    Pulaski führte Evelyn in eine Nische. »Eigentlich müssten Sie sich hier wohl fühlen?«
    »Es ist fast wie zu Hause.« Der hat keine Ahnung, dachte Evelyn. Die Klischees von Wien gab es auf der ganzen Welt, und selbst in Wien wurden sie heftig gepflegt. Andererseits erinnerten die Stühle und die runden, schmiedeeisernen Tische im k.u.k.-Stil tatsächlich ein wenig an die Kaffeehäuser der Ringstraße.
    Um diese Zeit war in dem Lokal noch nicht viel los. Die wenigen Gäste saßen in der Nähe der Fenster, von wo sie die Beamten beobachten konnten, die durch den Park liefen.
    Nachdem sie ihre Getränke bestellt hatten, legte Pulaski seinen Mantel ab und kramte ein Asthmaspray und eine Packung Ernte 23 aus der Sakkotasche.
    Unwillkürlich hob Evelyn die Augenbrauen.
    »Was ist?«, fragte Pulaski.
    »Eine tödliche Mischung«, kommentierte sie.
    »Was Sie nicht sagen.« Pulaski fingerte eine Zigarette aus der Schachtel und drehte sie zwischen Daumen und Zeigefinger. »Verträgt sich wie Feuer und Benzin - behauptet zumindest meine Tochter.«
    »Mich stört es nicht, aber falls Sie die hier anzünden, fallen die Schwestern wie Hyänen über Sie her.«
    Auf keinem der Tische standen Aschenbecher.
    Pulaski blickte zum Tresen, wo ihr Kaffee zubereitet wurde. »Sie haben Recht, die schauen ziemlich bissig herüber.«
    Seufzend ließ er die Schachtel verschwinden. Kurz darauf wurden ihre Getränke serviert. Beim Duft des schwarzen Kaffees musste Evelyn verhalten gähnen.
    »Wenig geschlafen?«, fragte Pulaski.
    »Gar nicht geschlafen«, korrigierte sie ihn.
    Er nickte, als wäre es ihm ähnlich ergangen. »Eigentlich ermittle ich gar nicht offiziell in diesem Fall, sondern bin nur als« - er verzog das Gesicht - »Berater hier. Ich bin im Urlaub, sollte aber längst wieder in meinem Leipziger Büro sein.«
    »Welcher Fall?«, unterbrach Evelyn ihn.
    Er blickte sie

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