Rachespiel
war noch nie anders gewesen. Jo verstand das.
»Er ist in Vernehmungsraum eins«, sagte er und ging wieder nach oben. »Sein Schatten von einer Frau wartet oben auf ihn – du solltest also besser gleich anfangen.«
Jo starrte Foxy einen Moment lang nach, dann zog sie einen Block mit Aussageformularen unter der Anmeldung hervor, riss einige Seiten davon ab und griff sich einen Stift. Anschließend rollte sie einen auf einem TV -Wagen stehenden Fernseher mit einem DVD -Player darunter durch das Foyer in den Vernehmungsraum, wobei sie zugleich den Feuerlöscher mit dem Fuß aus der Tür schob.
Hassan saß mit auf den Oberschenkeln ruhenden Hän den da. Er beobachtete Jo unter seinen buschigen Augenbrauen hervor, die in der Mitte zusammenwuchsen, während sie sich an dem Tisch einrichtete.
Streng genommen hätte ein anderer Polizeibeamter die Vernehmung bezeugen müssen – selbst eine Kamera wurde nicht als unangreifbare Absicherung gegen Vorwürfe we gen Einschüchterung oder tätlicher Übergriffe angesehen –, aber Jo hatte im Moment weder die Zeit noch die Geduld, jemanden aufzutreiben.
Nachdem sie Hassan darüber belehrt hatte, dass das Ge spräch den Vorschriften entsprechend aufgezeichnet werde, setzte sich Jo ihm gegenüber und begann, ihn über den vergangenen Abend zu befragen.
»Ich habe Ihnen schon alles gesagt, was ich weiß«, beschwerte er sich. »Hören Sie, ich habe Karten für ein Match in Croker. Wie lange wird das hier noch dauern?«
Jo beugte sich zu ihm vor. »Wir reden hier über einen kleinen Jungen, der vermisst wird. Sie müssen etwas gesehen haben. Haben Sie selbst Kinder?«
Hassan antwortete nicht.
»Also, ich habe Kinder«, sagte Jo. »Wenn denen jemand etwas antun würde, und ich bekäme die Betreffenden in die Finger – ich weiß nicht, zu was ich fähig wäre.«
»Ich hatte einen Sohn«, sagte Hassan ernst. »Er ist vor sechs Jahren an Hirnhautentzündung gestorben. Er war drei Jahre alt.«
Er sah zu Boden, sein Gesichtsausdruck war hart. »Wir haben damals noch im Irak gelebt. Antibiotika sind dort schwer zu kriegen, wegen der Sanktionen. Deshalb sind wir nach Irland gekommen. Ich hätte es nicht ertragen, noch ein Kind zu verlieren.«
Hin und wieder bot sich bei Vernehmungen die Gelegenheit, die Gefühle des Befragten zu Ermittlungszwecken zu instrumentalisieren. Oft war es nur ein kurzer Augenblick, der nicht wiederkam. So unbarmherzig das vielleicht auf einen außenstehenden Beobachter wirken mochte, man musste damit arbeiten, und dies war so eine Gelegenheit.
Jo stand auf, ging zu Fernseher und DVD -Spieler hinüber und griff nach den Pornos, die sie aus Hassans Laden mitgenommen hatte.
Sie drückte die erste DVD aus der Box und schob sie in das Laufwerk.
»Was machen Sie da?«, fragte Hassan.
Der Ton des Streifens sagte schon alles – eine Frau weinte und schrie unverkennbar vor Schmerz, während zwischen ihrem Flehen ein Mann die Grunzgeräusche höchster sexueller Erregung von sich gab. Die Bilder waren noch widerwärtiger – die Frau wurde in einem Wald vergewaltigt, und eine Reihe von Männern stand scherzend und lachend davor an. Jo wurde übel.
Hassan wandte sich ab.
Jo drückte auf »Stopp« und »Ausgabe«, nahm die nächste Scheibe von dem Stapel und schob sie ein.
»Ah, ›Sodomie‹«, sagte sie mit Blick auf die Hülle.
Auf dem Bildschirm erschien eine nackte Frau, die in die Kamera lächelte und das Fell eines Deutschen Schäferhunds bürstete.
»Machen Sie das aus«, sagte Hassan.
Jo griff nach der nächsten. »Wie alt, sagten Sie, war Ihr Sohn?«, fragte sie, die Hülle musternd. »Wie wär’s, wenn wir Ihre Frau dazuholen, damit sie mit uns gucken kann?«
Hassan hob abwehrend die Hände. »Ich sage Ihnen alles, was Sie wissen wollen, solange ich nicht vor Gericht als Zeuge erscheinen muss. Das wäre mein Todesurteil.«
Jo bemerkte, dass er schwitzte.
»Diese Zicke, die all den Ärger verursacht hat, die behauptet, ihr Kind wäre entführt worden, und die ohne zu bezahlen abhauen wollte – der können Sie kein Wort glauben. Sie ist eine Hure.«
»Tara Parker Trench?«
»Genau die!«
»Warum sagen Sie das?«
Er gab keine Antwort.
»Taucht sie in einem Ihrer Filme auf?« Jo nahm eine weitere DVD zur Hand, entschlossen, sie einzulegen.
Er bekam einen panischen Ausdruck. »Nein, einer von den Kunden hat es mir erzählt.«
»Name?«
»Ich kenne ihn nur als Marcus.«
»Was fährt Marcus für ein Auto?« Jo angelte sich den
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