Rachespiel
Stift.
»Einen Toyota Hiace.«
»Farbe?«
»Dunkelrot.«
»Baujahr?«
»1998 oder so. Sie können ihn auf den Überwachungsvideos sehen.« Hassan zog den Reißverschluss seines Rucksacks auf und legte zwei weitere DVD s auf den Tisch. »Hier ist drauf, was im Laden passiert ist, und hier, was draußen los war.«
»Sie wollen mir also weismachen, dass einer, der so einen alten Lieferwagen fährt, sich die Dienste eines Topmodels leisten kann.«
Schweigen. Dann schließlich: »Nein, er arbeitet mit ihr zusammen in irgendeinem Hotel.«
»In welchem?«
»Weiß ich nicht.«
Jo zog die Augenbrauen hoch.
Hassan seufzte. »Er hat eine Reinigungsfirma. Spezialisiert auf Schwimmbecken, Whirlpools, Dampfbäder und so Sachen.«
»Sie wissen ja ganz schön viel über ihn.«
»Stand auf der Seite von seinem Wagen.«
»Komischer Zufall, dass Tara zur selben Zeit getankt hat wie er, oder?«
Hassan zuckte die Achseln. »Er war gerade am Bezahlen, als sie reinkam. Ich hab ›Oho!‹ gesagt oder so was Ähnliches, und er meinte, die könnte jeder haben in dem Hotel, man müsste nur genug Kohle auf den Tisch legen.«
»Und welches Hotel ist das nun?«
»Wie gesagt, keine Ahnung.«
Jo beugte sich über den Tisch und sah ihm aus nächster Nähe ins Gesicht. »Okay, dann finden Sie das mal besser raus, Hassan, und zwar schnell, sonst sitzen Sie und Ihre Frau im nächsten Flieger nach Bagdad, das garantiere ich Ihnen.«
14
Sextons Magen knurrte, als er in das Büro von Jeff Cox’ Bankberater geführt wurde. Er hatte einen Mordshunger. Das Mittagessen war mal wieder ausgefallen, und gefrühstückt hatte er auch nicht. Normalerweise schaffte er es, schnell mal in das kleine Imbisslokal gegenüber der Wache runterzulaufen und sich ein Plunderstück oder ein Mandelcroissant zu holen, um was in den Bauch zu kriegen. An diesem Morgen aber hatte er den Fehler begangen, zu Jo reinzugehen, um zu sehen, ob sie Hilfe beim Verschieben des Fernsehers brauchte, und war sofort zwangsrekrutiert worden. Wenn Jo sich erst einmal an einem Fall festgebissen hatte, konnte man sie nicht mehr abschütteln, bis sie ihn aufgeklärt hatte. Er seufzte. So war er früher auch gewesen. Bevor Maura gestorben war. Damals hatte der Beruf auch sein Leben bestimmt. Tja, und nun hatte er am eigenen Leib erfahren, wohin man kam, wenn man die Arbeit über Partner und Familie stellte.
Hätte er sich vor zwei Jahren auf das konzentriert, was wirklich wichtig war, würden seine Frau und sein ungeborenes Kind vielleicht noch leben. Je mehr er arbeitete, desto schuldiger fühlte er sich inzwischen. Aus dem Grund ging er jetzt hier und da mal früher, was sowieso nur ein Abbummeln der vielen Überstunden war, die er in all den Jahren angesammelt hatte. Dabei tat er gar nichts Besonderes, wenn er sich den Nachmittag freinahm, sondern lief einfach nur herum wie dieser Mann, dem er früher oft auf dem Weg zur Arbeit begegnet war, so einer, der nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte. Der Typ hatte den Tag damit zugebracht, von seiner Wohnung in die Stadt und wieder zurück zu laufen, einfach so, ohne Sinn und Zweck.
Das Büro des Bankberaters stellte sich als eine Ecke im Kundenraum heraus, die mit einer von diesen heimlichtuerischen, nur bis zur Brust reichenden blauen Filztrennwänden abgeteilt war. Der Berater hatte dicke Brillengläser und prüfte Sextons Ausweis, indem er ihn direkt vor seine Nase hielt, bevor er sich bereit erklärte, ihm die Kontoauszüge des Ehepaars Cox zur Verfügung zu stellen. Er ließ Sexton kurz allein, um nach Papier für seinen piependen Drucker zu suchen.
Sexton rieb sich kläglich den Magen. Weiß der Teufel, wo er die nächste Mahlzeit herbekommen sollte. Bei sich zu Hause bewahrte er schon gar keine Lebensmittel mehr auf, weil alles nur verschimmelte, bevor er dazu kam, sie zu essen. Seine Wohnung war ohnehin kein Zuhause im eigentlichen Sinn, sondern kaum mehr als ein Platz zum Schlafen. Ein Zuhause war ein Ort, an dem man sich gern aufhielt, und Sexton mochte es nicht, allein zu sein. Seit Mauras Tod betrank er sich noch nicht einmal mehr gern. Wenn er sich gestattete, über die Sinnlosigkeit ihres Todes nachzudenken – was er unweigerlich tat, wenn er allein war oder trank –, kam er von diesen Gedanken nicht mehr los. Er wünschte, man würde in den Informationsbroschüren, die sich an Depressive richteten und sie aufforderten, die Telefonseelsorge anzurufen oder sich jemand anderem anzuvertrauen, darauf aufmerksam
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