Rachespiel
zwanzig Stühlen und einem Mittelgang dazwischen ausgestattet. Zwei Fernsehkameras auf Stativen mit über den Boden verlegten Kabeln versperrten dort den Weg. Die ersten beiden Reihen waren von Fotografen besetzt, die sich nicht vom Fleck rührten aus Angst, ihre guten Plätze zu verlieren. Jo erlebte es regelmäßig, dass der eine oder andere Hiebe abbekam, wenn sie vor einem Gerichtssaal um die beste Position rangelten, oder sich sogar gegenseitig von ihren Trittleitern stießen, um zum Schuss zu kommen. Die Schreiberlinge waren da anders. Sie mussten nicht um das eine perfekte Foto kämpfen und hatten mehr davon, wenn sie miteinander sprachen und sich austauschten.
Sie nahm in der Mitte des Podiumstisches Platz, flankiert von Mitgliedern ihres Spitzenteams – Lovett und D’Arcy links von ihr und Foxy mit Darragh Boyle, einem Sprecher von der Garda-Pressestelle, rechts. Alle außer Jo hatten ihre Uniformen angelegt und die Zivilkleidung in ihre Spinde in der Wache verbannt, bevor sie herübergekommen waren. Vor jedem stand ein Namensschild und ein Mikrofon, auch wenn Jos als einziges eingeschaltet war.
Jo hatte um Darragh Boyles Anwesenheit gebeten, weil sie davon überzeugt war, dass auch der Journalist, der hinter dem Interview mit Tara steckte, hier erscheinen würde. Die Verfasserzeile nannte einen Frank Maguire. Und tatsächlich, als ein kleiner, drahtiger Mann in einem Steppblouson und mit CAT-Boots aufgetaucht war, während sie noch draußen im Gang warteten, hatte Boyle ihr zugenickt.
Sie beobachtete nun, wie er hereinkam und ein digitales Aufnahmegerät von der Größe eines Feuerzeugs zu einem Haufen ähnlicher Geräte, deren rote Lämpchen bereits erwartungsvoll blinkten, vor sie auf den Tisch legte. Dann zwängte er sich seitlich in die dritte Stuhlreihe. Die Uniformierten draußen waren instruiert worden, ihm sein Handy abzunehmen und Gesprächsprotokolle wie Adressbuch zu kopieren. Die so erhaltenen Informationen würden zwar nie vor Gericht zugelassen werden, ihnen aber wichtige Hinweise darauf geben, ob die Tara-Parker-Trench-Story echt war.
Ein Poster mit Presleys Gesicht war an der Vorderseite des Tischs angebracht worden. Über dem Foto prangte groß das Wort »Vermisst«, dazwischen standen Angaben über Alter, Größe und Gewicht. Was er angehabt hatte und wo er zuletzt gesehen worden war, wurde in kleinerer Schrift unter dem Bild aufgeführt.
Sie hatten ihre Plätze seit etwa fünf Minuten eingenommen, als Jo sich zu dem Pressesprecher neigte, um ihm zu sagen, dass sie nicht länger warten wolle, obwohl der Saal nur zu einem Viertel gefüllt war. Boyle stand auf, um die Tür zu schließen, was ein paar Nachzügler mit Bechern voll Kaffee in den Händen dazu veranlasste, schnell noch hineinzuschlüpfen.
»Vielen Dank für Ihr Kommen«, begann Jo. »Ich werde Sie nun zuerst über die Einzelheiten des Vorfalls informieren und dann einige Fragen beantworten, kann aber aus ermittlungsinternen Gründen nicht auf viele eingehen. Ich bin Detective Inspector Jo Birmingham vom Revier Store Street und möchte die Öffentlichkeit um Unterstützung bei der Suche nach diesem kleinen Jungen bitten.«
Die Kameras klickten unaufhörlich, und die Blitzlichter bewirkten, dass sie schneller blinzeln musste. Zwei Männer mit Kopfhörern und um die Schultern geschnallten Tonreglern hielten lange Puschelmikros an Angeln über ihren Kopf.
»Presley ist drei Jahre alt«, fuhr Jo fort und blickte eindringlich in die Fernsehkameras. »Er ist am Sonntagabend gegen neun Uhr an der Ever-Oil-Tankstelle am Eden Quay aus dem Auto seiner Mutter verschwunden. Den Nachnamen des Jungen möchten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt geben. Sollten Sie an diesem Abend irgendetwas in der Nachbarschaft der Tankstelle beobachtet haben, das Ihnen ungewöhnlich vorkam, nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf. Oder falls jemand weiß, was passiert ist, und aus welchen Gründen auch immer bisher darüber geschwiegen hat – bitte melden Sie sich jetzt.«
Sie beugte sich ein Stück vor. »Wenn Sie jedoch selbst die Person sind, die Presley festhält, bitte ich Sie inständig, mit uns zu sprechen. Es ist noch nicht zu spät, den Schaden wiedergutzumachen. Der kleine Junge braucht dringend Medikamente und vermisst seine Mum und seinen Dad sicher sehr.«
Jo nahm eine Vergrößerung von einem Paar winziger Turnschuhe von dem Fotostapel vor sich und hielt sie hoch. »Als er vom Rücksitz des Wagens entführt wurde, trug Presley
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