Rachespiel
musste zu Hause ferngesehen haben, wenn sie sich so schnell auf dem Revier gemeldet hatte, was bedeutete, dass sie nicht auf der Intensivstation gewesen war, um am Bett ihrer in Lebensgefahr schwebenden Tochter zu wachen. Jo kritisierte sie nicht dafür, zumal im Krankenhaus keine Ruheräume für Familienangehörige zur Verfügung standen. Nein, es war der Schaffellmantel, der ihr zu denken gab, merkte sie. Er sah teuer aus, ein Kleidungsstück, das man eher an einer Frau aus den wohlhabenden Vororten erwarten würde.
»Jemand hat sie unter Druck gesetzt«, dachte sie laut.
»Das Wichtigste ist, dass der Kleine in Sicherheit ist«, sagte Foxy, der gerade eintrat. Er wartete auf eine Antwort von ihr, und als keine kam, fügte er leise hinzu: »Manchmal ist es tapferer zuzugeben, dass man unrecht hatte.«
»Ich habe aber nicht unrecht, verdammt und zugenäht«, fuhr Jo ihn an. »Wenigstens du solltest das wissen. Du hast es selbst gesagt, als du Tara gestern Morgen gesehen hast – sie war vollkommen verzweifelt.«
Foxy nickte, sah dann auf seine Uhr. »Es tut mir leid, aber ich muss jetzt los.«
»Das geht nicht. Nicht jetzt.«
»Ich habe meine acht Stunden Dienst getan, Jo. Jetzt muss ich nach Hause zu Sal.« Er schluckte, wobei Jo auffiel, wie angespannt er aussah. »Dorothy ist wieder da.«
Bestürzt schlug sie die Hand vor den Mund, ehe sie ihn kurz in den Arm nahm und drückte. »Okay, dann beeil dich mal lieber. Sag mir Bescheid, wie du zurechtkommst.«
Merrigan erschien in der Tür. »Ein paar Reporter wollen Fred Oakley interviewen. Ihr Büro ist der beste Ort dafür.«
»Das kann ich mir vorstellen«, sagte Jo erbittert.
»Was ist, Birmingham?«, entgegnete Merrigan. »Gönnen Sie Fred seinen Erfolg nicht?«
Ein unbehagliches Schweigen entstand, während Jo den aggressiven Ton verarbeitete.
»Es ist die einzige ruhige Ecke«, beharrte Merrigan. »Können sie es benutzen?«
Jo wollte gerade »Nur über meine Leiche« sagen, als es draußen unruhig wurde und Oakley, Presley und dessen Großmutter in die Einsatzzentrale vor ihrem Büro kamen. Sie wusste noch nicht einmal, wie Taras Mutter hieß, wurde Jo bewusst. Vielleicht war sie dabei nachzulassen …
»Das wird ja jeden Tag mehr zum Kindergarten hier«, rief ein Detective und löste damit eine Lachsalve aus.
Oakley hob den Jungen hoch und schwang ihn in die Luft. »Du bist ein Prachtkerl, stimmt’s, Presley?«
Das Kind wand sich, bis er es wieder herunterließ.
»Kleiner Schlingel«, sagte Oakley, als Presley quer durch den Raum flitzte. »Der wird noch Olympiasieger, wenn er so weitermacht.«
Jo steuerte geradewegs auf Taras Mutter zu, nachdem sie sich davon überzeugt hatte, dass Presley außer Hörweite war. »Wollen Sie wirklich behaupten, dass Presley nie an dieser Tankstelle war und Ihre Tochter das alles erfunden hat?«
Die Frau sah verängstigt aus. Noch ehe sie antworten konnte, legte Oakley einen Arm um sie und führte sie in Jos Büro, wobei er mit dem Kopf auf ein paar Reporter deutete, die gerade auf der Etage aufgetaucht waren.
»Ende gut, alles gut«, sagte er warnend und warf sich derart in die Brust, dass Jo schlecht wurde. »Niedlicher Knirps, nicht wahr?«
Er winkte einer Reporterin, ihm zu folgen, und machte die Tür hinter sich zu.
Jo ging zu Presley und kniete sich vor ihn hin. »Geht es dir gut, Presley?«, fragte sie und nahm seine Hand.
Das Kind sah sie nicht an.
»Wo warst du denn bloß, kleiner Mann, hm?«
Er machte sich los und rannte wieder in der Abteilung herum.
»Wollen Sie jetzt schon einen Dreijährigen ins Kreuzverhör nehmen?«, sagte Merrigan, nur halb im Scherz.
Jo sah sich um. Auf der anderen Seite, hinter der Glas trennwand seines Büros, zog Dan gerade den Reißverschluss seiner Segeljacke hoch und machte den Eindruck, als wolle er gehen. Sie ging zu ihm. »Du kannst jetzt nicht weg. Was ist mit Marokko, den Fußballern, Imogen Cox?«
»Ohne einen vermissten Jungen können wir niemandem etwas zur Last legen«, sagte er mit erschöpfter Miene. »Außerdem hast du selbst bei deinem Briefing gesagt, dass Tara Schauspielunterricht nimmt. Nach allem, was wir wissen, könnte sie die Szenen auf dem Video gespielt haben. Ein gefundenes Fressen für jeden Verteidiger. Sie hat noch nicht einmal Anzeige erstattet. Im Gegenteil, sie hat ihre Story auch noch an die Medien verkauft.«
Er wandte sich zur Tür.
»Wo willst du hin?«, fragte sie, mit ihm Schritt haltend.
»Was trinken gehen.« Er zog
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