Rachespiel
trotzig die Schultern hoch. »Und wenn du vernünftig bist, kommst du mit und lässt die Sache auf sich beruhen. Dieser Fall war von Anfang bis Ende ein einziger Albtraum.«
47
Jo setzte sich an einen freien Schreibtisch und behielt nebenbei im Auge, was sich in ihrem Büro tat. Eine Kamera war aufgebaut und ein großer, aufwärts gerichteter Scheinwerfer auf den Boden gestellt worden. Gegenüber hatte man eine Scheibe aus einem silbrigen Material auf einen Ständer platziert, die das Licht zurückwerfen sollte. Presley saß auf Oakleys Knien, und Oakley auf Jos Stuhl. Die Großmutter schien nicht vor die Kamera zu wollen, denn sie stand dahinter.
Jo hatte eine der Mütter von Harrys Krippe angerufen, die ihr noch einen Gefallen schuldete, und sie gebeten, Harry abzuholen und ihn mit zu sich nach Hause zu nehmen. Auf diese Weise musste sie nicht ständig auf die Uhr sehen. Außerdem hatte sie Rorys Schule kontaktiert und ihm ausrichten lassen, dass er noch zur Hausaufgabenbetreuung bleiben solle. Jetzt nahm sie sich die Liste der letzten zwanzig Mobiltelefonate vor, die Maguire, der Repor ter, der so viel über Tara wusste, geführt und erhalten hatte. Soweit sie sehen konnte, hatte er Tara mehrmals kontaktiert, ohne dass sie ihn je zurückgerufen hätte, jedenfalls nicht von ihrem Handy aus. Über den Mobilfunkanbieter konnte Jo sich die Dauer der Anrufe bestätigen lassen, und das würde ihr sofort sagen, ob Tara länger mit ihm gesprochen oder ihn gleich abgewürgt hatte. Daneben gab es mehrere Anrufe bei und von einer englischen Telefonnummer, die sie interessierten. Sie wählte die Nummer vom Schreibtischtelefon an und rechnete damit, Melwood Athletic zu erreichen, nur um festzustellen, dass es der Büroanschluss eines bekannten Publicity-Managers war, der für Berühmtheiten arbeitete, wenn ein Image-Desaster drohte. Er galt als Spezialist für Schadensbegrenzung.
Jos Handy klingelte, und sie ging ran. Es war Aishling McConigle. »Nur fürs Protokoll«, sagte sie, »Charles Fitzmaurice hat tatsächlich um die Mittagszeit Luftraum gebucht.«
Jo nickte und dankte ihr. Als sie sich wieder dem Aufnahmegerät des Reporters zuwandte, das sie sich nach der Pressekonferenz unter Protest angeeignet hatte, in der Hoffnung, Zugang zu seinen Gesprächen mit dem PR -Mann zu bekommen, hatte sie plötzlich eine Idee. Ohne anzuklopfen, ging sie in ihr Büro, sehr zum Ärger des Kameramanns und der jungen Reporterin, die mitten im Interview waren, und nahm sich die DVD mit den Aufnahmen der Überwachungskameras vor dem Revier, die sie vorhin zusammen mit dem Team angesehen hatte.
Wieder draußen, trieb sie einen DVD -Spieler auf, legte die Scheibe ein und blickte von der schemenhaften Gestalt auf dem Bildschirm zu Presleys Großmutter hinüber. Sah noch einmal hin und fand den Verdacht, der ihr gerade gekommen war, bestätigt. Kein Zweifel: Die großen Karos auf dem Mantel der Person, die das Sexvideo bei der Wache eingeworfen hatte, waren die überstehenden Wollränder an den Nähten eines Schaffellmantels.
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Um Punkt fünf kam Foxy nach Hause, und um zehn nach hatte er sich die Hände gewaschen und Sals Abendessen aufgesetzt – Dublin Coddle, ein Eintopf mit Würstchen und Speck. Er hoffte, das würde sie aufmuntern. Sie war nicht sie selbst, seit er sie abgeholt hatte, wollte ihm aber nicht sagen, warum. Als er sie zum Essen rief, wollte sie nicht an den Tisch kommen, sondern bat, stattdessen vorm Fernseher essen zu dürfen. Foxy war besorgt. Es sah ihr einfach nicht ähnlich, sich zu verkriechen und Trübsal zu blasen. Er fragte sich, ob der Zwischenfall mit Philip bei McDonald’s ihr immer noch nachging, und beschloss, sich ein paar Tage freizunehmen und darauf zu hoffen, dass sie sich öffnen würde, wenn sie so weit war.
Als es an der Tür klingelte, wartete er darauf, ihre Schritte zu hören – Sal liebte es, Leuten aufzumachen –, aber da keine kamen, lief er selbst hinaus in den Flur. Schon an der roten Silhouette hinter der Milchglasscheibe erkannte er, dass es Dorothy war. Er machte die Wohnzimmertür zu und schnappte sich die Hausschlüssel vom Dielentisch.
»Was soll das, einfach hierherzukommen?«, fragte er mit einem Blick zurück über die Schulter, als er draußen stand.
Dorothy hatte zwei Einkaufstüten in jeder Hand. »Ich wollte nur noch mal vorbeischauen … Ich hatte gehofft, wir könnten vielleicht zusammen Tee trinken. Du musst Sal ja nicht sagen, wer ich bin. Stell mich einfach als eine
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