Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt
Vergleichsmöglichkeiten. Für einige kommt die Diagnose einem Todesurteil gleich. Es wurden Untersuchungen durchgeführt, die zeigen, dass die Angehörigen sich häufig im Zustand eines permanenten Posttraumatischen Stresssyndroms befinden. Unsere Aufgabe ist es, das Dasein dieser Menschen zu erleichtern: für die Erkrankten und die Angehörigen.«
Das allgemeine Bild war deprimierend. Es war schon ein großes Unglück, krank zu werden, aber gleich zweifach schrecklich, an einer seltenen Krankheit zu leiden, für die nur wenigeVerständnis zeigten. Das erinnerte Wagner an seinen Gedanken mit der rosa Brustkrebsschleife: Einige Krankheiten waren populärer als andere. Einige hatten Prominente als Frontfiguren. Andere wiederum mussten die Basisarbeit allein bewältigen.
»Und wie sieht es aus mit den Finanzen?«, fragte er. »Soweit ich weiß, bekommen Sie Mittel aus den verschiedenen Fonds und Sozialtöpfen. Aber haben Sie auch private Mittel? Und hatte Adda Boel damit zu tun?«
Laurvig nickte.
»Ab und zu erhalten wir eine Erbschaft oder eine private Spende.«
»Große Summen?«
Henrik Laurvig zögerte.
»Das kommt drauf an, was Sie mit groß meinen. Für uns groß, ja. Das kommt vor.«
»Wann war die letzte private Spende?«
Laurvig räusperte sich.
»Das war eine größere Erbschaft, vor etwa einem Jahr.«
»Von welcher Summe sprechen wir?«, meldete sich Ivar K aus den Tiefen seines Sessels zu Wort.
»Vier Millionen Kronen. Ein wohlhabender Geschäftsmann hatte uns in seinem Testament bedacht. Seine Tochter hatte unter einer Krankheit gelitten, die sich Spielmeyer-Vogt-Syndrom nennt.«
»Was ist das für eine Krankheit?«, fragte Ivar K.
»Unheilbar«, antwortete Laurvig. »Sie greift das zentrale Nervensystem an. Im Alter von fünf bis sieben Jahren beginnt sie mit dem Verlust der Sehkraft, darauf folgen Epilepsie und der Verlust motorischer Fähigkeiten. Die Kranken sterben in der Regel im Alter von zwanzig bis fünfundzwanzig Jahren. Oder eben auch früher, wenn es sich um verwandte Unterarten dieser Krankheit handelt.«
»Und davon wissen die Eltern von Anfang an?«
Laurvig nickte.
»Das ist schwer, mit so einer Diagnose weiterzuleben, sowohl für die Erkrankten als auch für die Angehörigen.«
Wagner versuchte es sich vorzustellen. Wie war es, ein Kind zu bekommen, von dem man wusste, dass es so jung sterben würde. Und schmerzvoll. Auf einmal erschien ihm das Down-Syndrom als ein überwindbares Hindernis, und er schämte sich. Diese Eltern konnten es sich nicht einfach anders überlegen und das Kind abtreiben lassen. Nicht, wenn die Krankheit erst im Vorschulalter auftrat.
»Was ist mit dem Geld geschehen?«, brachte sich Ivar K zur Abwechslung mal mit einer praktischen Frage ein. »Wie wurde es eingesetzt? Nur für die Kinder, die an derselben Krankheit leiden wie die Tochter des Spenders?«
»Hmm. In diesem Fall herrschte leider ein bisschen Verwirrung. Wir unterstützen nicht, dass eine Krankheit bevorzugt behandelt wird. Das Geld wurde dem Dachverband gespendet und nicht der Spielmeyer-Vogt-Vereinigung, die sehr klein und ohne Schlagkraft ist. Aber er hatte die Spende an den Wunsch geknüpft, explizit diese Krankheit zu berücksichtigen.«
»Und haben Sie das getan?«
Henrik Laurvig hielt ihnen den Teller mit den Keksen hin, nahm sich selbst einen und biss hinein.
»Wir haben uns dafür entschieden, es aufzuschieben, und haben den gesamten Betrag angelegt.«
Sein Gesicht sah mit einem Schlag schuldbeladen und traurig aus. »Leider lief das mit der Finanzierung nicht so erfolgreich.«
Er sah den Polizisten in die Augen. »Es ist eigentlich nicht erwünscht, dass diese Informationen an die Öffentlichkeit geraten. Aber Ihnen kann ich ja sagen, dass wir falsche Berater hatten. Ich befürchte, die Finanzkrise hat alles vernichtet.«
»Die ganze Summe?«, fragte Wagner.
»Alles. Wir hatten für das Geld Aktien in einem Geldinstitut gekauft, das später in Konkurs ging.«
»In der Århusianischen Bank? Weil Anders Jeppesen, derzweite Vorstandsvorsitzende in der Alpha-1-Vereinigung, dort Vizedirektor war?«
Laurvig nickte.
»Er hat gekonnt Werbung für sich gemacht. Adda hat den Vorschlag dann im Vorstand des Dachverbandes eingebracht. Sie war davon überzeugt und der Auffassung, dass das Geld sich vermehren sollte, um in die Zukunft und in die Forschung investiert werden zu können.«
»Und dann hat sich das alles in Luft aufgelöst«, sagte Ivar K lakonisch. »Da gab es doch
Weitere Kostenlose Bücher