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Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt

Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt

Titel: Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Mail war dieselbe Person, die auch bei ihr eingebrochen war, ihren Wagen in die Luft gesprengt und der Presse die Geschichte mit der Putzfrau gesteckt hatte. Diese Person hasste sie, und sie hasste diese Person.
    »Ich muss schon sagen. Die sollten dich öfter mal in der Presse anprangern!«
    Lob von Kasper war so selten wie die Chance, ihn mit einem geraden Fußtritt zu treffen.
    Sie hörte auf zu schlagen und verschnaufte. Ihre Arme und Hände prickelten. Aber zumindest war die blutrote Wut der vergangenen Stunden verblasst, und sie hatte endlich wieder das Gefühl, klar denken zu können.
    »Komm, wir trainieren Paraden.«
    Er griff sie von der Seite an, sie setzte den Beinhebel ein und brachte ihn mit einem Karatewurf zu Boden. Dann kam er von hinten, sie rammte ihm einen Ellbogen in den Magen und konterte mit einem Schulterwurf. Dann attackierte er sie von vorne und bekam einen harten Knietritt in sein Suspensorium.
    »Verdammte Kacke, bist du auf hundertachtzig heute.«
    »Wärst du das etwa nicht an meiner Stelle?«
    Das Einzeltraining endete mit einer Übungsreihe für Fußtritte. Hinterher gingen sie wie immer nach nebenan, um zusammen einen Kaffee zu trinken. Durch den warmen Kaffeedampf musterte sie ihn. Seit zehn Jahren trainierte sie jetzt schon bei Kasper und hatte es bis zum gelben Gürtel in Tai Fu gebracht. Gelber Gürtel und drei Streifen. Sie hatte nicht mehr als fünf Sekunden gebraucht, um den Vergewaltiger in jener Nachtzu überwältigen. Fünf Sekunden, die sie jetzt fast bereute. Aber ihr Instinkt hatte die Führung übernommen, bevor sie nachdenken konnte. Aufgebaut und gestützt durch jahrelanges Training bei jenem Mann, der mittlerweile auch junge Polizeischüler in taktischer Selbstverteidigung unterrichtete. Es genügte nämlich nicht, ausgefeilte Kampftechniken zu lernen, bei denen der Gegenspieler mitspielte und kooperierte. Das ließ sich zu nichts gebrauchen, wenn man eines Tages vor dem unberechenbaren Gewaltverbrecher stand, das hatte sie am eigenen Leibe erfahren müssen. Deshalb kam sie hierher. Niemand sollte jemals wieder in der Lage sein, rein physisch die Gewalt über sie zu haben. Das hatte sie sich damals geschworen und bis zum heutigen Tage eingehalten.
    »Warum erzählst du denen nicht einfach, dass du hier trainierst? Warum muss das so ein Geheimnis sein?«, fragte Kasper, mit dem sie schon vor Jahren ein Abkommen geschlossen hatte, dass ihre Einzelstunden eine Sache zwischen ihnen bleiben sollte. »Mir erscheint es leichter, es einfach zu sagen«, fügte er hinzu und ließ ein Stück Zucker in seinen Kaffee plumpsen. »Der muss ja ziemlich übel zugerichtet gewesen sein, dieser Vergewaltiger da.«
    Sie hatte ihn mit einem Tritt in den Schritt ausgeschaltet, ihm den Ellenbogen ins Gesicht gerammt und es mit einem weiteren Tritt in den Brustkasten abgeschlossen. Es stimmte, so etwas erwartete man nicht von einem Politiker und schon gar nicht von einer fünfundvierzigjährigen Frau. Sie hätte unter Umständen das Maß an Gewalt reduzieren können, aber mit erhöhtem Risiko, dass es auf Kosten ihrer Gesundheit und der des Opfers hätte gehen können. Das kurze Verhör auf der Wache und die Aussage des Mädchens waren ausreichend gewesen, dass sie wieder auf freien Fuß gesetzt wurde. Aber auch die Polizisten hatten sie gefragt, warum sie dazu in der Lage gewesen war und wo sie ihr Können erworben hatte. Sie hatte ihnen eine Ausrede serviert.
    »Das geht niemanden etwas an«, erwiderte sie ihrem Trainer.Und das entsprach ihrer Haltung, die sie ihm von Anfang an mitgeteilt hatte. Damals, als sie das kleine Trainingsstudio entdeckt hatte und Kaspers Techniken noch in den Kinderschuhen steckten. Jetzt war er hot, vielleicht schon zu hot. Er hatte Erfolg. Er würde mit ihr sehr gut Reklame machen können, das wusste sie sehr wohl, wollte es aber nicht.
    Er hob die Hand wie ein Verkehrspolizist an einer gefährlichen Kreuzung.
    »Nein, schon gut, schon gut, wenn du das so willst. Ich verstehe es nur nicht. Aber das habe ich wohl nie getan.«
    Sie lächelte, wusste, dass es kein freundliches Lächeln war.
    »Es ist auch gar nicht mein Bestreben, dass du es verstehst. Du sollst es nur akzeptieren.«
    Während sie das sagte, kam ihr der Gedanke, dass er es sein könnte. Es könnte jeder sein, also auch er. Aber, was wusste er über ihre Vergangenheit? Sie hatte ihm in all den Jahren nichts erzählt. Sie hatte niemandem jemals etwas erzählt. Und doch gab es einen Menschen, der ihre

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