Rachmann, Tom
geduscht?«
»Wieso?
Weil's so lange gedauert hat?«
»Weil Sie
so, na, so ausgeschlafen aussehen und so. Ich versteh immer nicht, wie ihr
Mädels das hinkriegt. Ich seh auf Reisen immer aus wie 'n Paar alte Stiefel.«
»Wir Damen
haben eben unsere Geheimnisse«, verkündet sie stolz.
»Au ja«,
stimmt er begeistert zu, »bin sehr dafür.«
Nicht
schwul, denkt sie. »Ach was, ist doch bloß ein Flug«, sie legt ihm die Hand auf
den Arm, »da erwartet kein Mensch, dass man tipptopp aussieht.«
»Sie
kriegen das aber ziemlich gut hin«, seine Stimme scheint ob der Kühnheit des
Kompliments zu versiegen. »Jedenfalls«, sagt er dann wieder laut, »ich glaub,
ich geh mich jetzt selbst mal 'n bisschen frisch machen. Auch wenn ich dafür
nicht so viele Mittel habe.«
»Also
jetzt aber Schluss.«
Als er wieder da ist, klopft er
mit nassen Händen auf sein Gesicht ein. »Schon besser.« Er lässt sich in den
Sitz fallen. »Viel besser.«
»Also«, sagt sie. »Ach, egal.« Ein
Moment Schweigen.
»Also«, versucht sie es noch
einmal, »leben Sie gern in Rom? Haben Sie 'nen Haufen Freunde und all so was?«
»So ungefähr. Ich meine, 'nen
Haufen nicht gerade. Ich konnte ja kein Wort Italienisch, als der Startschuss
fiel, das hat mich natürlich zurückgeworfen.«
»Aber die
Mädels waren trotzdem scharenweise hinter Ihnen her, wetten? Amerikanischer
Journalist und Single und so weiter.«
»Jetzt
übertreiben wir mal nicht. Eine Zeit lang hatte ich was mit einem Mädel aus
Neuseeland, die hat in der Kneipe bei mir um die Ecke gearbeitet.«
»Und wo
ist das?«
»Bei mir? In
Monti. Via dei Serpenti.«
»Coole
Gegend.«
»Die
Wohnung ist winzig, aber okay. Wissen Sie, eins hab ich in Rom gelernt, nämlich
dass die Italiener echt freundlich sind und alles, was du willst, aber die
haben alle ihre Cliquen. Finden Sie nicht auch? Die hängen ihr ganzes Leben
lang mit denselben Leuten zusammen, die sie schon aus der Grundschule kennen.
Und wenn man nicht auch in der Schule war, na ja, dann laden die einen eben nie
nach Hause zum Essen ein. Verstehen Sie, was ich meine?«
»Vollkommen.
Das ist typisch italienisch.«
»Irgendwie
schwer reinzukommen. Für einen Amerikaner. Ist für Mädels wahrscheinlich
leichter. Bei den schicken sexy Italienern und so.«
»Sie
glauben doch nicht etwa an den Mythos vom Latin Lover, oder? Ich will Ihnen mal
ein Geheimnis verraten: Italienische Männer - ich weiß das, ich bin mit einem
verheiratet - sind Primadonnen, keine Hengste. Und ich weigere mich, auf
einen Mann zu fliegen, der besser gekleidet ist als ich. Viele von diesen
Italienern sind kleine Jungs. Mein Sohn Henry ist entschieden reifer, und der
ist erst dreizehn. Viele wohnen ewig bei Mamma und lassen sich die Wäsche
waschen, die Jeans umkrempeln und mittags Mortadella-Brote schmieren. Die
kommen nie ganz davon runter.« Sie rümpft die Nase. »Klinge ich etwa bitter? Entschuldigung
- Schluss mit den Tiraden, ich schwör's.«
»Im
Gegenteil, tut irgendwie gut, das zu hören. Ich bin mir die ganzen letzten
Jahre vorgekommen wie ein trampeliges amerikanisches Riesenbaby.«
»Hören
Sie.« Sie fasst ihn vertraulich am Arm. »Sie müssen sich wirklich keine Sorgen
machen.«
»Machen
Sie weiter. Tut meinem Ego richtig gut, nachdem ich jetzt so zwei Jahre lang
mitansehen musste, dass diese Italiener sogar in pinkrosa Pullovern und orangeroten
Hosen noch gut ankommen. Wissen Sie, was ich meine?«
Sie lacht.
»Ehrlich
gesagt«, fährt er fort, »die letzten sechs Monate oder so hab ich's aufgegeben.
Die Idee, mal 'ne Italienerin kennenzulernen. Hab 'n bisschen die Geduld
verloren.«
»Wie
meinen Sie das denn?«
»Hab's
wahrscheinlich satt, mir die Finger zu verbrennen. Hört sich zynisch an, weiß
ich. Wenn Sie mich mit so zwanzig, dreißig gehört hätten, da war ich ein total
romantischer Typ. Sie hätten mich bei meiner Hochzeit sehen sollen. Ich war
derjenige, der auf die Riesenfeier gedrängt hat. Meine Ex wollte was im ganz
kleinen Kreis. Aber in so was bin ich verrückt. Bei so was schlag ich immer
über die Stränge. Das Leben war leichter, wenn ich nicht so 'n bekloppter
Romantiker war. Aber so bin ich. Genau so.«
»Das ist
doch nichts Schlimmes.«
»Kann
sein. Macht das Leben aber kompliziert.«
»Alles,
was irgendwas wert ist, ist kompliziert. Glauben Sie nicht? Oder ist das
Unsinn?«
»Nein,
nein. Wahrscheinlich haben Sie recht.«
»Mein
Problem ist die viele Zeit, die für meine Arbeit draufgeht - ehrlich,
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