Rachmann, Tom
ich weiß
nicht mal, ob ich überhaupt noch Zeit für eine richtige Beziehung hätte. Ich
sage Ihnen nicht, wann ich zum letzten Mal eine hatte, ist mir viel zu
peinlich.«
»Ach,
kommen Sie.«
»Nein.
Wirklich nicht. Das wollen Sie gar nicht wissen. Henry behauptet, Arbeit ist
mein Liebesersatz. Ganz Henry eben, ist erst dreizehn, aber geht in Wahrheit
schon auf die dreißig zu. Ein arideres Problem ist, glaub ich - und das soll jetzt
nicht überheblich klingen -, dass ich auf eine Menge Männer einschüchternd
wirke. Ich glaube, ich komme manchmal viel zu ehrgeizig, zu karrieregeil rüber.
Ich weiß auch nicht. Nicht böswillig, hoffentlich. Das bin ich nämlich absolut
nicht. Aber in dem Job, den ich mache, darf man nun mal keine Schwäche zeigen.
Man muss tough sein, sonst trampeln alle über einen weg. So funktioniert das. Die
Leute halten mich für eine Art Flintenweib. Dabei habe ich in Wirklichkeit gar
nicht viel Selbstvertrauen, ich bin ziemlich schüchtern. Ich weiß, ich komme
anders rüber.« Sie guckt, wie er reagiert. »Viel zu viele Informationen,
stimmt's? Sorry, ich rede Blabla.«
Ȇberhaupt
nicht. Ich komm noch mit. Ich glaub, jeder Mensch auf diesem Planeten braucht
menschlichen Kontakt, um normal zu sein und gesund zu sein. Ist ganz einfach.
Und ich gebe zu, ich bin da keine Ausnahme.«
Sie hatte
nicht den Mut gehabt, das so direkt zu sagen, weil sie nicht dastehen wollte
wie ein arme alleinerziehende Mutter. »Das ist vielleicht genau der Punkt«,
antwortet sie. »Ich meine, wahrscheinlich ist das einfach normal.«
»Mehr als
normal.«
Sie
schlägt die Beine übereinander und kneift sie zusammen - sie muss dringend
pinkeln. Sie hat vorhin, vor lauter Eifer, sich aufzuhübschen, völlig
vergessen, aufs Klo zu gehen. Sie möchte nicht, dass er denkt, dass sie ein
Blasenproblem hat, aber lange hält sie es nicht mehr aus. »Ich geh mir mal die
Beine vertreten«, sagt sie. Und geht nicht zur Toilette vorn, sondern
schlendert Richtung Heck. Als sie aus seinem Blickfeld ist, schlüpft sie dort
in die Toilette. Und sitzt, als sie fertig ist, einfach weiter da und denkt
nach.
Sie
schnuppert an dem Unterarm, mit dem sie seinen berührt hat. Er hat einen ganz
bestimmten Geruch - irgendwie nett, doch. Wie riecht er? Männlich. Nach Haut.
Wie er wohl wohnt da in der Via dei Serpenti. Zwischen leeren Flaschen, halb
runtergebrannten Kerzen, Wachsflecken auf dem Teppich. Eine winzige Wohnung,
hat er gesagt, das heißt doch wohl, er wohnt allein. Zu sich nach Hause kann
sie ihn nicht so einfach einladen, wegen der Kinder. Naja, später mal, vielleicht.
Die nächsten vier Tage hat sie ein Zimmer in einem Viersternehotel in Atlanta.
Sie spürt ein Prickeln. Lass das, du bist ja irre. Wäre aber schon schön, sich
ein bisschen herumzutreiben. Reden. Ist doch ein schnuckeliger Kerl, oder?
Erstaunlicherweise. Total natürlich. Bisschen Gesellschaft ist doch nett. Und
richtig erwachsen. Mal wieder einen Mann um sich haben. Weiß gar nicht mehr,
wie das geht. Das Hotel da, das die immer für sie buchen - wäre doch cool,
wenn. Hör auf jetzt. Stopp. Kommt bloß vom Reisekoma: verrückte Ideen und Flirtfüßchen.
Die Sitzung des Ott-Vorstands. Denk lieber an die. Muss trotzdem an seine
Nummer kommen. Rauskriegen, wann er nach Rom zurückfliegt. Ihn da mal treffen.
Als sie
zurückkommt, fängt gerade der Film an. Er hat ihr die Kopfhörer schon
eingestöpselt. Eine Komödie läuft. Sie dreht den Ton so leise, dass sie sich
selbst noch hören kann - sie möchte nicht zu laut oder zu albern kichern, oder
zu wenig. Er hat eine nette Art zu glucksen. Ironisch, ehrlich. Plötzlich lacht
er laut, dreht sich um und zwinkert ihr zu. »Wir brauchen Popcorn.«
»Völlig
richtig!«
Die
Stewardess bugsiert gerade den Trolley den Gang entlang und teilt die zweite
Mahlzeit aus.
Abbey
guckt auf die Uhr. »Was ist das jetzt? Mittagessen Nummer zwei? Kommt mir vor
wie Abendessen.«
»'ne Art
Mittagabendessen«, antwortet Dave.
»Und wie
heißt das? Mibendessen?«
»Oder
Attagessen.«
»Es sei
denn, es ist eine Mischung aus Lunch und Büffet. Dann kriegen wir Lüfett«,
sagt sie. »Oder Blunch.«
»Blunch.
Find ich gut. Sollten wir als Marke schützen lassen.«
Wir? Hm.
Interessant.
»Hör mal,
Dave«, wagt sie sich vor, »wir müssen uns irgendwann mal in Rom treffen.
Findest du nicht? Kaffeetrinken oder irgendwas sonst. Wenn du wieder da bist.«
»Ja,
absolut. Gute Idee.«
»Gib mir
mal deine Nummer.«
»In
Weitere Kostenlose Bücher