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Rachmann, Tom

Rachmann, Tom

Titel: Rachmann, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Unperfekten
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Rom?«
    »Ja.«
    »Da hab ich keine.«
    Sie sieht ihn stirnrunzelnd an.
»Wie meinst du das?«
    »Na, ich wohn doch da nicht mehr.«
Jetzt sind beide verblüfft.
    »Ich hab
da keine Wohnung mehr«, sagt er noch einmal, »kann mir zwei Mieten nicht
leisten.«
    »Zwei? Wo
ist die zweite?«
    »In San
Jose.«
    »Also jetzt komme ich nicht mehr
mit.«
    »Mein neuer Job. In San Jose,
Kalifornien.«
    »Oh nein«,
sie ringt sich ein gespieltes Lächeln ab, »ich bin so dumm. Ich dachte, du
meinst - als du vorhin erzählt hast, du hast einen neuen Job -, ich habe
blöderweise angenommen, du meinst in Rom.«
    »Nein,
nein, ich hab keine Arbeitserlaubnis mehr für Europa. Aber ich wollte sowieso
zurück in die Staaten.«
    »Und was
ist das für ein Job?«, fragt sie hastig, als wäre der Ort ganz unbedeutend.
    »So 'ne
Web-Sache. Ich bau da die Redaktion von 'nem neuen Musikmagazin mit auf. 'n
Online-Magazin, im Prinzip.«
    »Ah ja. Langsam kapier ich's«,
sagt sie. »Aber ...«
    »Aber was?«
    »Ach, nichts.«
    »Du hast knallrote Ohren«, sagt
er, »alles in Ordnung?«
    Unglaublich,
dass er das sagen musste. Was für ein Arschloch-Spruch - extra noch drauf
hinzuweisen. »Ja, mir geht's prima«, sagt sie scharf.
    Das Essen
ist da. Er nimmt das Hühnchen. Das letzte. Sie wollte auch Hühnchen. Sie nimmt
den Fisch. Ziemlich unhöflich, sie nicht zu fragen.
    »Wie
schmeckt deins?«, will er wissen. »Gut.« Nach einer Minute setzt sie nach:
»Hätte auch lieber Hühnchen gehabt. Aber na ja.«
    »Wollen
wir tauschen?«
    »Nein,
nein. Ist nicht wichtig.« Sie legt das Besteck beiseite, schlägt eine Mappe
auf und macht sich wieder an die Arbeit. Das heißt, sie wirft finstere Blicke
auf die Seite. Dass der so was Idiotisches sagen musste. Jemand anders extra
drauf hinweisen: He du, du läufst übrigens gerade rot an. Wie alt ist er -
fünf? Und woher soll sie eigentlich wissen, dass er nach Kalifornien geht? Der
erzählt das, als läge es auf der Hand, als hätte die ganze Welt sein Leben
verfolgt.
    Er schlägt
>Persuasion< wieder auf, bleibt aber auf der Seite hängen und knibbelt an
seiner Nagelhaut herum.
    Ekelhaft.
Liest der das Buch überhaupt wirklich? Oder ist das bloß Schau? Man muss ja
sagen, der Hellste auf Erden ist er nicht gerade. Ein harmloser Typ aus
Dingsda. Aus Hintertupfingen, Georgia. Eben der Typ, der's in der Zeitung nicht
gepackt hat, den sogar die thorazinbenebelten Idioten am Redaktionstisch
ausgestochen haben. Als sie die eine redaktionelle Stelle zum Wegsäbeln gesucht
hatte, war Dave Belling am ehesten entbehrlich gewesen - ein echter Volltreffer
in dieser ganzen Loser-Truppe, die man komplett rausschmeißen könnte. (Um
gerecht zu bleiben: Abbeys erste Wahl war Ruby Zaga, aber da hatte sich
Kathleen schützend dazwischengeworfen.)
    »Entschuldigung.«
Abbey steht ohne weitere Erklärung auf. Sie geht ihren Gang hinunter, dann den
anderen wieder zurück und das Ganze noch mal. Sie späht Daves Hinterkopf aus.
Wird schon kahl. Was ist eigentlich los mit den Kerlen? Die eine Hälfte ewig in
der Mauser, die andere das reinste Gestrüpp. Gibt es eine Verbindung zwischen
Glatzen und Arschlochhaftigkeit? Oder Behaart- und Tumbheit? Dass bei der
Rausschmeißerei ihre Wahl auf Dave fiel, war kein Zufall. Kathleen wollte
eigentlich, dass alle neun Stellen im technischen Bereich gestrichen würden. Aber
Abbey hatte auf mindestens einer redaktionellen bestanden - wurde mal Zeit,
dieser Truppe eine Lektion zu erteilen. Sie hatte überprüft, dass Daves Leistungsprofil
eindeutig mittelmäßig war und dass er keine unüberwindbaren Verbündeten hatte -
das heißt, weder Kathleen noch Herman -, und dann die Kündigungsunterlagen
fertig gemacht. Und Gott sei Dank. Allein die Vorstellung, diesen Wichser jetzt
täglich in der Zeitung sehen zu müssen.
    Sie widmet
sich ihren Papieren, bis sie in Atlanta sind. Das Flugzeug kommt am Gate zum
Stehen, die Fasten-Seatbelt-Zeichen erlöschen, die Passagiere der Economyklasse
falten sich wieder auseinander, Arme schießen hoch Richtung Gepäckablage. Dave
fährt das Kontrastprogramm, reckt sich lässig und gähnt. »Soll ich deine Tasche
runterholen?«
    »Nein,
bitte lass sie da. Da sind ein paar zerbrechliche Sachen drin.«
    Die
vordere Tür geht auf, die Passagiere rücken zentimeterweise vor und gehen im
schleppenden Rhythmus, mit dem das Kabinenpersonal Abschiedsworte murmelt, von
Bord : »... bye ... bye ... bye.«
    Dave
wartet, bis Abbey ihre Sachen zusammengesucht

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