Rachmann, Tom
hat.
»Bitte -
geh ruhig schon vor«, sagt sie.
»Macht mir
nichts aus.«
Sie
trödelt herum, so lange es geht. »Musst nicht auf mich warten. Wirklich nicht.«
»Mach ich
gern.«
In der Halle steuert er aufs
Kofferband zu. »Tja, dann alles Gute«, sagt sie. »Hast du nur Handgepäck?«
»Immer.«
»Wo bist du eigentlich
untergebracht?«
»Weiß gar nicht mehr. Irgendein
Hotel.«
»Welches?«
»Hab's
vergessen. Möglicherweise Intercontinental.«
»Wir könnten
uns ja vielleicht ein Taxi teilen.«
»Musst du
dich nicht auch auf den Weg machen? Wo wolltest du noch mal hin? In deine
Heimatstadt? Ich fahre sowieso auf Spesen, ich nehme mir selbst ein Taxi. Sonst
wird das mit der Quittung zu kompliziert.«
»Aha«,
sagt er. »Tja, dann.«
»Ja. Alles
Gute.«
Er beugt
sich vor, um ihr einen Kuss auf die Wange zu geben.
Sie weicht
aus. »Ich will dir nicht meine Erkältung anhängen.« Sie drückt ihm die Hand.
Im
Intercontinental breitet sie ihre Arbeitsunterlagen auf dem Schreibtisch aus.
Viel zu viel Zeit mit Gequassel mit diesem Idioten verplempert. Dauernd dieses
Gähnen. Sie muss doch wach bleiben, sich sofort an den Zeitunterschied
gewöhnen - anders geht's nicht. Sie sieht auf die Uhr. Zu spät, die Kinder
anzurufen. Wie kann man denn nicht erwähnen, dass man einen neuen Job
in San Jose hat? Ach, egal. Wann ist die erste Sitzung morgen früh?
Frühstückszeit. Willkommen daheim im Land des schlabbrigen Kaffees und der
klodeckelgroßen Donuts. Warum hat er mit ihr die ganze Zeit geflirtet, wenn er
in einer andern Stadt lebt? Hinter ihrem Hotelschreibtisch hängt ein Spiegel.
Sie sieht sich an. Ach, würde sie jetzt gerne ein bißchen mit Henry plaudern!
Reisekoma macht weinerlich.
Es
klingelt. Sie schlägt die Augen auf, desorientiert. Es ist dunkel. Wie spät ist
es? Der Wecker blinkt. Hat sie etwa die Sitzung verschlafen? Scheiße! Das
Klingeln. Das ist ja gar nicht der Wecker. Sie langt nach dem Telefon. »Hallo?«
»Endlich
hab ich dich!«
»Hallo?«,
sagt sie noch einmal.
»Hier ist
Dave Belling. Ich bin unten. Und ich bin jetzt echt unhöflich. Versuche einfach
mein Glück. Aber ich fand, also, meine Leute können ruhig 'n paar Stunden warten.
Ich wollte einfach nicht, dass wir uns nie wiedersehen. Ich war schon am
Busbahnhof. Und dann dachte ich, ich meine, das ist doch zu blöd. Also bin ich
hierhergekommen. Hoffentlich hast du nicht geschlafen. Aber hör zu, wenn das
irgendwie eine Zumutung ist, bitte sag's einfach, dann mach ich mich fröhlich
vom Acker, kein Problem. Wenn aber nicht, ich dachte, vielleicht könnte ich
dich auf ein Glas einladen oder so. Von mir aus auch zum Blunch. Oder 'n
Häppchen vom Lüfett.«
Sie lacht
los und reibt sich die Augen. Sie knipst die Schreibtischlampe an und kneift
die Augen zusammen. »Wie spät ist es denn?«
»Lüfett-Zeit.«
»Ich
glaube, ich bin weggedöst. Ich hab gerade gedacht, es ist schon morgens.«
»Wenn's
dir nicht passt, troll ich mich. Kein Problem.«
»Moment,
Moment, halt mal. Kannst du eine Minute warten? Ich bin gleich unten. Komm
nicht rauf. Wo bist du genau?«
Zeit zum
Duschen bleibt nicht, nur kurz Auffrischen, so gut es geht im Bad. Sie massiert
die Feuchtigkeitscreme ein, als ob sie einen Hefeteig knetete. Eigentlich
müsste sie sich auf die Vorstandssitzung vorbereiten. Eigentlich müsste sie
früh schlafen gehen.
»Heh.« Sie
tippt ihm von hinten auf die Schulter.
Er steht
am Tresen des Concierges und blättert in einer Illustrierten. »Heh, du.« Sein
Gesicht hellt sich auf. »Und das ist bestimmt keine Zumutung?«
»Natürlich
nicht.«
»Wonach
ist dir? Was zu trinken? Was zu essen?«
»Nach dem
rosa Kuchenmysterium im Flieger bin ich mit Essen durch bis Oktober.«
»Verstehe.
Gehen wir was trinken.«
Sie suchen
sich eine Sitznische in der Hotelbar. Im Fernseher oben an der Wand läuft CNBC,
die Schlagzeile meldet: »Kurseinbrüche: Börse fürchtet vermindertes Wachstum in
China«.
»Wird
schon gut gehen morgen«, sagt er zu ihr. »Du bist mit Sicherheit das schlaueste
Mädel im Raum, also keine Bange.«
Sie
erzählen und erzählen, er von seiner Scheidung, sie von ihrer. Nach drei
Bacardi Breezer sagt sie: »Ist genau, wie du im Flieger gesagt hast. Ich bin
viel romantischer, als mir guttut. Und, okay, manchmal kriegt man einen Tritt
in den Hintern. Aber ehrlich, ich hätte lieber, na ja - richtige Gefühle.
Statt... Weißt du? Weißt du, was ich meine?«
»Verstehe.«
»Tja - heh«, sagt
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