Rachmann, Tom
verschärft den Eindruck, dass hier im Newsroom nur japsende
Dummschwätzer herumlungern. Bei Anblick zu eliminieren - das Wort, nicht die
Dummschwätzer. Die Dummschwätzer gehören festgenommen und in die Käfige
gesperrt, die ich im Souterrain aufgestellt habe. Vgl.: exzessive
Gedankenstriche; Ausrufezeichen; Dummschwätzer.
Auf dem Heimweg fährt Herman
auf der Piazza Cavour vorbei und kauft in der Enoteca Costantini eine Flasche
Frascati Superiore. Heute Abend will er Jimmy etwas typisch Römisches kochen:
frittierte dorz di zucca und carciofi alla Giudia, deftige bucatini all'amatriciana, selbst gemachte pizza bianca zum Stippen für die Sauce und pangiallo zum Dessert (Letzteres
allerdings, leider, fertig gekauft).
Als er zu Hause ankommt, liegt
Jimmy auf dem Gästebett, mit dem Gesicht zur Wand. Er rollt herum.
»Wie geht's dir?«, fragt
Herman. »Jetlag?«
Jimmy erzählt, was er den Tag
über gemacht hat, während Herman das Essen zubereitet. Spazieren gegangen ist
er, verlaufen hat er sich auch, und jemand ist hinter ihm hergegangen - ein
Dieb, glaubt Jimmy -, der hat dann aber aufgegeben.
»Klingt erfolgreicher als mein
Tag«, befindet Herman. »Mein Stilführer läuft total aus dem Ruder. Der ist nur
noch ein Witz. Alles armselige Putzes, mit denen ich arbeiten muss!«
Jimmy isst wenig und trinkt
nur Wasser. Und Tabak hat er sich komplett abgewöhnt - ein merkwürdiger
Anblick, Jimmy ohne seine gewohnte Rauchwolke. Herman fragt ihn nach dem Leben
in L. A., und Jimmy erzählt, er habe viel zu tun - die Zeit rase einfach davon,
aufgefressen von all dem Kleinkram: was zu essen kaufen, fernsehen, ins
Waschcenter gehen. Und die Kriminalität sei besorgniserregend.
Herman klopft sich auf den
Wanst und schreitet zur Vitrine mit den Schnäpsen. »Du auch einen digestivo?«, fragt er. »Was ich leider
nicht habe, ist dein Lieblingsschnaps. War doch Barbancourt-Rum, hm?« Der alte
Taschenbuch->Ulysses< hatte die ganzen sechziger Jahre hindurch in Jimmys
Jackett gesteckt. Leopold Bloom war sein Held gewesen, nicht zuletzt wegen der
gemeinsamen Vorliebe für tierische Innereien - vor allem gebratene Schweinenieren.
Aber das alles überlagernde Gebrutzel und Gestinke von Jimmys Lieblingsessen
ließ während dieser zehn Jahre in der gemeinsamen Wohnung allmählich nach,
denn Jimmy verbrachte immer mehr Zeit in Mexiko, das Drama mit der
verheirateten Bildhauerin ging weiter. Sie sehe aus wie Molly Bloom, behauptete
er. Herman fand das drollig - wie um alles in der Welt sah Molly Bloom denn
aus? Irgendwann machte Herman sein Examen in Politischen Wissenschaften und
fand einen Job als Bürobote bei einer Lokalzeitung. Es lief alles anders herum,
als er es sich gedacht hatte - Jimmy und nicht er hätte Journalist werden
sollen, anfangs Sportmeldungen schreiben, zum Beispiel, oder den Polizeiticker,
später eine humorige Kolumne über Saufen und Wetten und die ganzen
sympathischen Spinner, die ihn umschwirrten wie Motten das Licht. Der nächste
Schritt wären Reportagen über irgendeinen Krieg in Übersee, womöglich würde er
an dem auch aktiv teilnehmen wie Hemingway oder Orwell und später ein Buch
daraus machen. Dann käme sein erster Roman. Ab da würde Jimmy richtig Karriere
machen. Und Herman würde Jahre später seine Biografie schreiben - die einzig
gültige Lebensgeschichte des Jimmy Pepp, erzählt von seinem besten Freund, der
den großen Schriftsteller wirklich kannte, von der gemeinsamen Schulzeit in
Baltimore über die verrückten Nächte in New York, die Bildhauerin in Mexiko bis
zum ersten Knistern von Jimmys publizistischem Erfolg und seinem Ruhm als
Ikone seitdem.
Als Herman solchen Träumen
nachhing, saß er allerdings wieder allein in New York, war Laufbursche bei
einem Lokalblatt, besorgte Bourbonfläschchen für magengeschwürgeplagte
Redakteure und was zum Rauchen, holte Roggensandwiches mit Corned Beef von der
8th Avenue, halt nein, junger Mann, meins Pastrami auf Schwarzbrot mit
Extra-Senf und Servietten nicht vergessen. Die anderen Büroboten waren vollauf
damit beschäftigt, lebende Mäuse in die Rohrpost zu stopfen und an sämtlichen
angeschlossenen Ressorts vorbei durch die Anlage zu schießen, bis sie schließlich
quiekend in den Korb der Sekretärinnen plumpsten. Bei der Sorte Konkurrenz
konnte Herman leicht glänzen.
Bald durfte er probeweise
Korrektur lesen, und dafür hatte er ein Händchen - endlich waren obskures
Wissen und Pedanterie mal nützlich. Just am Tag seiner
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