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Rachmann, Tom

Rachmann, Tom

Titel: Rachmann, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Unperfekten
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wollte,
die sich leicht unterordnet?«
    »Eine weniger aggressive
vielleicht. Ist das schlimm?«
    »Du hättest gleich Ruby nehmen
sollen.«
    »Ich weiß, du meinst das nicht
ernst, aber du hast recht: Wahrscheinlich fand ich genau das an Ruby
attraktiv.«
    »Du findest Frauen attraktiv,
die losschluchzen, wenn du ihnen einen ausgibst?«
    Dario schweigt.
    »Entschuldige«, sagt Kathleen,
»aber das ist schon komisch - du hast gehasst, dass ich dich in die
Unterwerfung getrieben habe. Und ich habe gehasst, dass du so passiv warst,
dass immer ich die Initiative ergreifen musste. Verstehst du? Aber mein Gott,
bei dir klingt das, als ob ich mit Gewalt und gierig sabbernd über dich
hergefallen wäre.«
    »Ein bisschen gesabbert hast
du schon«, scherzt er.
    Sie lacht.
    »Na also«, sagt sie und atmet
hörbar aus, »war doch gar nicht so schwer. Fällst dir sonst noch was zu mir ein?«
    »Eigentlich nichts«, er
zögert. »Nur eine Kleinigkeit, die gar nichts mit Sex zu tun hat. Ich fand
einfach, dass du Leute gerne benutzt hast. Kann man das so sagen auf Englisch?
Ich meine, du warst immer darauf bedacht, dass bei allem was für dich rausspringt.
Ich weiß noch, ich habe dich oft beobachtet, wenn du mit Leuten geredet hast -
ich konnte deine Gedanken förmlich lesen, nichts als Kalkül.«
    »Das klingt ja richtig nach
Scheusal. Und ich bin der Mensch, den du -«, sie scheut das Wort »geliebt«, »-
den du angeblich so gern gehabt hast.«
    »Ich meinte das nicht als
Kritik.«
    »Nein, nein, klingt ja auch
wie ein Riesenkompliment«, sagt sie sarkastisch. »Könnte es sein, dass dein
Blick ein bisschen getrübt ist durch die Art, wie ich gegangen bin?«
    »Das alles ist mir inzwischen
egal. Ich bin froh, dass du damals gegangen bist. Wärst du geblieben, hätte ich
meine Frau nicht kennengelernt, und ich hätte Massi nicht. Ich habe dich mal
geliebt. Aber du wolltest dich auf nichts richtig einlassen, das kann man nicht
anders sagen.«
    »Und was ist das Gegenteil
davon? Dummheit? Ich hoffe, ich wollte mich auf nichts hundertprozentig
einlassen. Jeder mit ein bisschen Intelligenz hat Vorbehalte.«
    »Komischer Gedanke.«
    »Also ich fasse mal zusammen:
Ich unterdrücke Männer, bin berechnend und nicht liebesfähig. Ist ja ein nettes
Porträt. Falls tatsächlich irgendwas von diesem Quatsch auf mich zutrifft,
dann lag es damals an meiner Unerfahrenheit. Ich war Mitte zwanzig. Aber«,
fährt sie fort, »mir drängt sich die Frage auf, ob du das nicht ein kleines
bisschen naiv siehst. Ich meine, du willst mir doch nicht erzählen, dass du nie
irgendwas von anderen Leuten willst? Hast du keine Eigeninteressen? Jeder hat
die. Nenn mir Namen und Umstände, und ich sage dir, wo die Interessen liegen.
Selbst Heilige verfolgen ihre eigenen Interessen - damit sie sich so richtig
wie Heilige fühlen, wahrscheinlich ...«
    »Ganz schön zynisch.«
    »Einfach realistisch.«
    »Das
sagen Zyniker immer. Aber ganz ehrlich, Kath, machst du alles aus Kalkül? Auch
in deinem Privatleben?«
    »Vielleicht
nicht. Nicht mehr so wie früher. Ich habe das bei dir so gemacht, das muss ich
zugeben. Aber im Grunde geht es doch in jeder Beziehung darum, von einem anderen
Menschen etwas zu bekommen.«
    »Das
sehe ich nicht so.«
    »Und warum küsst du dann
jemanden?«, fragt sie. »Um einem anderen oder dir selbst ein Vergnügen zu
machen?«
     
    An diesem Abend geht ihr Nigel
beim Essen auf die Nerven. Die Zeitung, beschwert er sich, hat heute schon
einen Ausblick auf das World Economic Forum in Davos gebracht, obwohl das
erst in ein paar Wochen stattfindet, aber kein Wort über das aktuelle World Social Forum in Nairobi. Mainstream-Medien
haben bloß noch reiche Weiße im Blick, schimpft er. Kathleen merkt an, dass die
Zeitung keinen einzigen Afrika-Reporter hat und folglich nicht vom World Social Forum berichten kann. Er macht den
Mund auf, um zu protestieren, und macht ihn wieder zu.
    »Du darfst gern
widersprechen«, sagt sie.
    »Weiß ich.«
    »Mehr hast du nicht zu sagen?
Wie wär's mit: >Dass ihr euch nicht mal die Mühe gemacht habt, irgendwen in
Afrika dafür anzuheuern, ist doch der beste Beweis für meine These>Man muss einen Hintergrundbericht nicht unbedingt von Kenia aus
schreibenloslegen mit deinem Europäer-Afrikaner-Quotienten in der Zeitung. Wie war der
noch? >Ein toter Weißer gleich zwanzig tote Afrikanerheute Abend? Du musst nicht

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