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Rachmann, Tom

Rachmann, Tom

Titel: Rachmann, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Unperfekten
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gleich den Schwanz einziehen, bloß weil du ein
schlechtes Gewissen hast, Nigel.«
    »Wieso schlechtes Gewissen?«
    »Ich nehme mal an, wegen
deiner kleinen Freundin.«
    »Wovon redest du?«
    »Von der kleinen Engländerin?
Lieg ich richtig?«
    Er geht ins Bad. Nach ein paar
Minuten Stille wird der Wasserhahn aufgedreht. Dann wieder zu. Aber Nigel
bleibt weg, versteckt sich. Kathleen fasst es als Eingeständnis auf. Sobald er
wieder rauskommt, werden sie reden müssen. Er sitzt bestimmt auf dem
Badewannenrand und sucht fieberhaft nach einem Ausweg aus diesem Schlamassel.
Was wohl herauskommen wird bei der drohenden Auseinandersetzung? Und wenn er
mit dieser kleinen Engländerin am Ende wirklich was Ernstes hat? Kathleen ist
wütend auf sich selbst - sie hat Darios Kritik noch längst nicht verdaut und
die Situation hier vergeigt.
    Nigel taucht wieder auf und
kocht Kaffee. Sie beobachtet, wie er steif in der Küche umhergeht. Er verhält
sich nicht wie jemand, der hier wohnt, sondern wie ein Eindringling in ihr
Zuhause. Er ist bequem, überlegt Kathleen. Offensichtlich scheut er eine feste
Arbeit mehr als Demütigung. Er wird sich an seine Ehe mit ihr klammern.
    »Ich weiß«, fängt er an, »ich
weiß.«
    »Was weißt du?«
    Er kann ihr nicht in die Augen
sehen.
    Vor der Hochzeit hatten sie
verabredet, mit dem Thema Ehebruch so erwachsen umzugehen, wie sie ihrer Meinung
nach damals waren. Rein statistisch blieb mindestens einem von ihnen keine
andere Wahl, als den anderen zu betrügen. Wenn es denn passieren sollte, durfte
der jeweils Schuldige das auf gar keinen Fall durchblicken lassen, hatten sie
beschlossen.
    »Genau das hier wollten wir
vermeiden«, sagt Kathleen.
    »Die Sache hier verletzt mich
tatsächlich mehr, als ich dachte. Idiotisch.«
    »Ist es nicht. Und du bist
auch kein Idiot.«
    Darios Beschreibung ihrer
Sexualität schießt ihr durch den Kopf. Sie wird sich jetzt nicht auch noch
selbst erniedrigen und Nigel nach Einzelheiten ausfragen. »Ich würde gern
Einzelheiten erfahren«, sagt sie.
    »Frag nicht.«
    »Tu ich nicht. Aber ich würde
gern.«
    »Lass es. Es ist dumm. Von
mir, meine ich. Nicht von dir.«
    »Wir waren uns einig darüber,
dass so was nicht passieren soll, aber wir haben uns nie Gedanken gemacht, was
wir machen, wenn es doch passiert. Es sei denn«, sagt sie, »du hast die
Absicht, diese Affäre wichtig zu nehmen und die Ehe zu riskieren.«
    »Red keinen Blödsinn.« Er
macht den Kühlschrank ohne ersichtlichen Grund auf und wieder zu. »Ich weiß
auch nicht. Es tut mir leid. Ich bin ein Arschloch. Die ganze Angelegenheit
bedeutet mir überhaupt nichts. Glaubst du, es würde dir besser gehen, wenn ich
dir Einzelheiten erzählen würde? Weil du dann siehst, wie bescheuert ich war?«
    »Es würde mir noch schlechter gehen.«
    »Und was machen wir jetzt?« Sie zuckt mit den
Schultern.
    Er will die Stimmung etwas
auflockern. »Du gönnst dir auch ein Techtelmechtel, dann sind wir quitt.«
    Sie findet das nicht komisch.
»Was, ich soll mit jemand anderem schlafen?«
    »War ein Witz.«
    »Warum ein Witz? Ist
vielleicht gar keine schlechte Idee.«
    »Ich hab's nicht ernst
gemeint.«
    »Ich will keine Affäre haben.
Mein Gott, ich hab einfach nicht damit gerechnet, dass mir das so an die Nieren
geht.«
    »Was heißt, nicht damit
gerechnet? Hast du so was erwartet?«
    »Ich habe gewusst, dass da was
läuft. Du bist so leicht zu durchschauen«, sagt sie. »Und wer weiß - vielleicht
nehme ich dich beim Wort und hab jetzt wirklich eine Affäre gut. Vielleicht
lass ich's auch. Ich werd's dir nicht verraten.«
    »Das kann nicht dein Ernst
sein.«
    »Doch.«
    »Was soll ich sagen - wenn du
meinst, so reagieren zu müssen, auch gut. Ich werd dich nicht daran hindern,
aber ich finde dein Verhalten bedauerlich.«
    »Du findest es bedauerlich?«
Sie wird lauter. »Ich finde
es bedauerlich. Ich bin nicht diejenige, die das Ganze so weit hat kommen
lassen. Ich finde es bedauerlich.«
     
    In den nächsten Tagen ist sie
rüde zu den Volontären - ein typischer Lackmustest für ihre Laune - und geht
mit den Reportern auf Konfrontationskurs, um sie hinterher zusammenzustauchen.
Sie ruft Oliver Ott, den Verleger, an und hinterlässt die x-te Nachricht auf
seinem Anrufbeantworter, diesmal verlangt sie die Aufstockung des Etats und
lässt durchblicken, dass ihre Kündigung keineswegs undenkbar ist. Dem Vorstand
des Ott-Konzerns in Atlanta schickt sie eine ähnliche Warnmail.
    Sie empfindet Empörung über
den

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