Rachmann, Tom
doch mit, was die von ihm halten. »Da sind bloß lauter öde
Nachrichtenleute, ich warne dich.«
»Möchtest du mich denn
dabeihaben?«
»Ich möchte mich nicht dabeihaben.«
»Vielleicht brauchst du ja
Rückendeckung. Es sei denn, du möchtest nicht, dass ich mitkomme.«
»Du kannst immer gerne
mitkommen, wohin ich auch gehe.«
»Und was soll ich denen sagen, was ich hier so mache?«
»Kein Mensch wird dich so was fragen.«
»Und wenn doch?«
Als sie in den Newsroom
kommen, lässt er ihre Hand los und bereut es sofort. Er bemerkt die hungrige
Neugier in den Blicken seiner Kollegen, wie kommt ausgerechnet er an diese viel
jüngere Frau: sie im purpurroten Kleid und grün-schwarz gestreifter Strumpfhose
und mit diesem spontanen Lächeln, das sie selbst fast zu erstaunen scheint; er
im blauen Oxford-Hemd und brauner Cordhose, ein Mops trotz aller Sit-ups am
Wochenende, mit diesem Hufeisen aus braunen Haaren um den kahlen Kugelkopf,
der immer glitzert, wenn er sich aufregt, und er glitzert oft.
Hardy entdeckt die beiden,
winkt etwas zu überschwänglich und kommt auf sie zu. Sie und Annika plaudern
ein paar Minuten, verabreden, sich gemeinsam zu einem Yogakurs anzumelden, und
wissen beide, dass es ein leeres Versprechen ist. »Tja«, sagt Hardy, »ich
glaube, ich muss mal meinen Typen erlösen gehen.« Ihr Freund Rory war zuletzt
mit einer Flasche Wein in der Hand gesehen worden, als er gerade versuchte, den
stirnrunzelnden Herman in eine Diskussion über die Faktenstimmigkeit der
James-Bond-Serie zu verwickeln. Hardy schreitet zur Rettung.
Andere Redakteure begrüßen
Menzies, und dabei flattern ihre Blicke hin und her zwischen ihrem drögen Nachrichtenchef
und der kurvenreichen jungen Frau neben ihm. »Na, Menzies, alter Knabe, machst
du uns jetzt mal bekannt?«
Wieder zu Hause, sagt Craig zu
Annika: »Du bist ja sehr -«, er hält inne,»- sehr beliebt bei allen.«
Sie lächelt. »Beliebt? In
welchem Schuljahr sind wir?«
»Ich weiß, das klingt albern.
Aber ich meine es positiv - ich bin beeindruckt.«
Sie küsst ihm die Lider und
kneift ihn in den Hintern.
Am nächsten Morgen wird er
früh wach, bleibt aber noch ein paar Minuten liegen und genießt die Sanftheit
ihres Rückens, den Duft ihrer Haare. Sie fühlt sich unwirklich an: das Auf und
Ab ihres Atems, das im Dunkeln gegen ihn wogt.
Er geht zu Fuß zur Arbeit und
bleibt vor dem Schaufenster einer Boutique stehen. Das Türkisarmband da? Oder
wie wär's mit den Ohrringen? Gehören die zusammen? Er kennt sich mit Schmuck
nicht aus, hat keine Ahnung, ob etwas hübsch ist, ob es ihr gefallen würde. Er
benötigt ihre Meinung, aber das würde den Plan durchkreuzen. Er sucht nach den
Ladenöffnungszeiten. Vielleicht kann er zwischen Früh- und Spätausgabe noch mal
kurz herkommen. Braucht sie eigentlich Ohrringe? Oder geht's gar nicht um
»brauchen«? Und worum dann? Darum, dass es um etwas geht. Und um was? Er weiß
es nicht, aber es geht um etwas. Er greift ständig nach ihrer Hand und lässt
sie dann wieder los. Jeder Versuch, ihr zu zeigen, dass es ihm um etwas geht,
scheitert. Er kauft ihr jetzt einfach diese Ohrringe. Aber der Laden ist noch
zu.
Abends beim Essen plaudert
Annika über die Redaktionsparty, macht Kommentare über seine Kollegen. »Herman
ist ja zum Anbeten«, sagt sie.
»Das wäre jetzt nicht mein
Ausdruck gewesen.«
»Doch, der ist süß«, beharrt
sie, »und so unsicher.«
»Herman? Herman Cohen?«
»War auch interessant, mit
Kathleen zu reden. Sie liebt dich.«
»Kathleen liebt, dass ich ihr das Blattmachen abnehme.«
»Sie empfindet eindeutig große Achtung für dich.«
»Wirklich?«
»Die Volontäre sind alle so
jung. Ich kam mir uralt vor. Das heißt, ich komme mir schon lange uralt vor.«
»Wenn du uralt bist, musst du
mich ja für prähistorisch halten.«
Ȇberhaupt nicht - ich finde
Alter nur an mir alt.«
»Siebenundzwanzig ist doch
nicht alt.«
»Kommt drauf an, was man
gemacht hat. Meine Schwester sagt, alle, die es mal geschafft haben werden,
sind spätestens mit dreißig auf dem Weg dahin.«
»Das stimmt nicht, das ist
bloß das übliche Gerede von deiner Schwester. Und außerdem hast du dann noch
drei Jahre Zeit - erst dann reden wir vielleicht mal drüber, was für ein
Versager du bist. Okay? Und fürs Protokoll, ich hatte mit dreißig noch gar
nichts geschafft.«
»Was hast du denn damals
gemacht?«
»Ich war in Washington, glaube
ich. Einfacher Redakteur.«
»Na, dann hattest du es
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